„Ich weiß nicht, ob ich zur Risikogruppe gehöre . . .“

von Redaktion

Löwen-Stürmer Nico Karger über die Corona-Krise, Vorerkrankungen und seine angehende Rolle als Papa

München – Gemähten Rasen riechen, einen Ball am Fuß spüren, die Kollegen nicht virtuell, sondern live treffen – danach hatte sich nicht nur Nico Karger gesehnt. Nach drei Wochen ohne geregelten Fußballbetrieb haben wir ein Telefon-Interview mit dem 1860-Stürmer geführt – kurz vor dem ersten „Kleingruppentraining“ an der Grünwalder Straße. Karger, 27, sprach dabei über seine Gefühle während der Corona-Pause, Gesundheitsthemen und vor allem: über die erwartete Geburt seines Sohnes.

Nico, alles okay bei Ihrer Freundin Julia, die zuletzt im Krankenhaus war?

Ja, alles okay. Die nächsten Tage geht’s bei uns los. Der Kleine lag nicht richtig, deswegen wurde eine Drehung versucht, aber keine Chance – er dreht sich alle fünf Minuten. Am 15. April soll jetzt die Geburt eingeleitet werden.

Deswegen waren Sie vermutlich auch die ganze Zeit in München und nicht in Ihrer oberfränkischen Heimat.

Mitunter deswegen. In Kronach wohnt meine Oma, in der Nähe auch meine Uroma. Die ist 95 und fit wie ein Turnschuh, aber es wäre viel zu gefährlich, sie zu treffen.

Sehen Sie sich selber auch als Risikopatient? Sie waren ja 2014 an Borreliose erkrankt – als Folge eines Zeckenbisses. Und nicht erst einmal hat Ihr Herz-Kreislauf-System Anlass zu Sorgen gegeben . . .

Ich glaub, dass mein Immunsystem nicht so schwach ist, dass ich da groß was zu befürchten habe. Ich weiß nicht mal, ob ich als ehemaliger Borreliose-Patient zur Risikogruppe gehöre, deswegen versuche ich, mir möglichst keinen Kopf über das Thema zu machen.

Sie klingen gelassen.

Ich versuche halt, das auszublenden, wobei: Es ist schon krass, was da gerade passiert. Alle müssen daheim bleiben. Ich kann verstehen, wenn da manche Leute Angst bekommen. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas mal passiert.

Wie informieren Sie sich denn über den Stand der Corona-Pandemie?

Wir werden regelmäßig von unseren Vereinsärzten informiert und auch über die Hygienemaßnahmen immer wieder auf den aktuellen Stand gebracht.

Man kann dem Thema Corona ja fast nicht ausweichen.

Natürlich kommt man auch in der Zeitung, dem Fernsehen oder dem Radio an diesem Thema nicht vorbei. Gedanken macht man sich natürlich schon. Wenn ich vom Laufen komme und aus Versehen an irgendein Geländer fasse, dann denke ich sofort: Mensch, jetzt hast du da hingelangt . . . Man macht ja auch die Türen ganz anderes auf – mit dem Ellbogen, mit dem Pulli dazwischen. Natürlich hat man sich früher auch regelmäßig die Hände gewaschen, jetzt achtet man noch viel mehr darauf.

Eine Schutzmaske tragen Sie vermutlich nicht.

Ich muss sie bald tragen – im Krankenhaus. Wobei sich auch da zwischendurch die Regeln geändert haben. Erst hieß es, man darf nicht bei der Geburt dabei sein. Dann hieß es: Das gilt nur für Kaiserschnitte, nicht bei einer normalen Geburt. Mein neuester Stand ist, dass Fieber gemessen wird, und wenn ich unter 38,5 bin, dann darf ich mit rein. Dann mit Mundschutz. Und ich muss direkt danach gehen. Das würde bedeuten, dass ich mein Kind erst zum zweiten Mal sehe, wenn meine Freundin aus dem Krankenhaus entlassen wird.

Zuletzt konnten Sie sich wenigstens mit Online-Training ablenken. Wie war das für Sie?

Extrem anstrengend! Ich bin abends meistens relativ kaputt ins Bett gefallen. Zwischendurch hatten wir auch mal eine Video-Einheit mit einem Yoga-Trainer – das war wirklich brutal. Früher habe ich Yoga für Entspannung gehalten, aber von wegen! Schon nach fünf Minuten sind mir fast die Arme abgefallen. Und auch die Läufe und Fitnesseinheiten sind nicht ohne.

Der Zusammenhalt im Team soll außergewöhnlich gut gewesen sein durch die 14 Spiele ohne Niederlage. Hat dieser Spirit die lange Zeit der Kontaktsperre überdauert?

Ich hoffe es. Wir haben ja eine WhatsApp-Gruppe da schreiben wir jeden Tag rein. Lustige Sachen, aber auch andere Themen. Ich zocke auch ab und zu ‘ne Runde an der Playstation, aber vor allem mit dem Nono (Ex-Mitspieler Koussou, derzeit ohne Vertrag/Red.), der ist immer noch einer meiner besten Freunde.

Zu hören ist, dass die Mannschaft vor Motivation strotzt. Angeblich soll es im Wintertrainingslager einen Schwur gegeben haben, alles zu geben, um den Aufstieg noch in diesem Jahr zu schaffen . . .

Schwur weiß ich jetzt nicht, aber klar: Es lief sofort sehr gut weiter nach der Winterpause. Und wenn man die Tabelle anschaut: Alles ist ganz eng beieinander. Ein paar Spiele stehen noch aus, und wenn wir so weiterspielen …

Ist es überhaupt möglich, nach einer so langen Pause an die alte Form anzuknüpfen?

Das wird sich dann zeigen. Im Grunde ist es wie eine Sommerpause. Normal gehst du danach erst mal in ein Trainingslager, um dich einzuspielen, denn es geht ja doch einiges verloren. Klar: Ein bisschen haben wir jetzt den Ball am Fuß, aber wenn du den für dich allein hochhältst, bringt dich das mannschaftstaktisch nicht weiter. Das könnte krass werden, wenn die Spiele wieder losgehen, aber es betrifft ja zum Glück alle Mannschaften.

Macht es Sie nervös, dass die Vertragsgespräche bei 1860 gerade auf Eis liegen? Sie sind ja offiziell nur noch bis zum 30. Juni gebunden.

Nervös macht es mich nicht. Ich fühle mich bei 1860 wohl und stehe in regelmäßigem Austausch mit den Verantwortlichen. Jetzt aber gehen erst mal andere Themen vor.

Für Sie persönlich steht die Saison ja unter keinem guten Stern: Erst die Schambeinentzündung, dann der Sehnenriss mit langer Reha. Im Februar endlich zwei Kurzeinsätze, ehe das Virus zuschlägt und die Welt lahm legt . . .

Ja, das ist einerseits blöd. Andererseits gibt mir das Zeit, noch fitter zu werden. Zum Glück hab ich keine Schmerzen mehr.

Im Februar sind Sie 27 geworden, da wollen es viele Fußballer noch mal wissen, sportlich und auch finanziell. Wie sind da Ihre Vorstellungen?

Wie sagt man so schön? Das beste Fußballeralter . . . (lacht). Bei mir gilt auch da im Moment, dass ich mir keinen großen Kopf mache. Jeder weiß, dass ich gerne hier bleiben würde. Wie lange bin ich jetzt bei 1860? Seit 2009, glaube ich. Andere haben zehn Stationen in ihrer Vita, ich war bei Kronach, in Bayreuth – und seitdem bin ich hier. Aber wir freuen uns jetzt erst mal auf die Geburt, das ist gerade das A und O.

Haben Sie denn rechtzeitig alle Einkäufe gemacht?

Das kam jetzt alles an – vom Bett bis zum Wickeltisch. Auch die ganzen Klamotten. Ich bin schon sehr gespannt, wie das wird als Papa. Dann hab ich was Sinnvolles zu tun während der Corona-Pause. Dann ist Schluss mit Faulenzen – und man kommt auch mal auf andere Gedanken.

Interview: Uli Kellner

Artikel 1 von 11