München – Knapp zwei Wochen noch, dann will die Basketball-Bundesliga (BBL) die Weichen stellen. Abbruch oder doch ein sportliches Saisonende per Notfallplan, wie es nicht zuletzt Liga-Chef Stefan Holz in dieser Woche andiskutierte? Unsere Zeitung hat sich ein Bild von der Situation in der BBL gemacht.
Die Gegenwart – Liga auf Sparkurs
Alba Berlins Manager Marco Baldi brachte es auf den Punkt: „Bis jetzt hat jeder vor allem seine Hausaufgaben gemacht.“ Im Mittelpunkt: den finanziellen Schaden abfedern. Auch bei Meister FC Bayern ist der erheblich. Alleine durch die Zuschauereinnahmen geht „eine deutlich siebenstellige Summe verloren“, sagte Geschäftsführer Marko Pesic. Die Gegenmittel dieser Tage sind bekannt: Auch die Bayern meldeten Kurzarbeit an, die Profis verzichten auf 30 Prozent ihres Salärs. Wobei noch nicht abzusehen ist, wie es mit möglichen Rückforderungen von Sponsoren oder Fans für die bereits verkauften Tickets aussieht. Letzteren wollen die Münchner den Verzicht schmackhaft machen. Die Idee: Ein Viertel des nicht zurückgeforderten Geldes spenden sie an den langjährigen Partner Ambulantes Kinderhospiz beziehungsweise an die Münchner Kliniken und deren Pflegepersonal.
Andernorts wie beim kleinsten BBL-Standort Crailsheim kann man sich derartige Aktionen natürlich nicht leisten. Doch immerhin: Die Senkrechtstarter des Jahres, die in der Zwischenwertung auf Platz drei liegen, „bekommen überwältigende Rückmeldungen“, wie Geschäftsführer Martin Romig andeutet. Ob es auch bei einer längeren Unterbrechung so bleibt, ist abzuwarten. Romig sagt jedenfalls: „Wir kommen da schon durch.“
Allerdings hat die Grundstimmung nicht unbedingt mit dem sportlichen Abschneiden zu tun. Rasta Vechta etwa, so etwas wie das Crailsheim des Vorjahres, brachte es erneut in die Playoff-Zone. Doch ein Abbruch würde im Rasta-Dome teuer: „Nach aktuellem Stand kämen Rückforderungen von rund 500 000 Euro“ auf uns zu“, sagt Geschäftsführer Stefan Niemeyer. Die Gespräche mit den Sponsoren laufen noch, bisher haben 50 Geldgeber zugesichert, dass sie die Unterstützung zumindest für diese Saison aufrecht erhalten.
Im Keller klingt es teilweise positiver. Hamburg Towers-Chef Marvin Willoughby meldet trotz aller Ungewissheit: „Uns wird es definitiv weiter geben.“ Und ähnlich gestaltet es sich auch bei den Baskets Bonn, die sich nach ihrer bisherigen Horrorsaison in der Tabelle auf Platz 15 wieder finden. Doch in Zeiten der Krise rückt man im Rheinland wieder enger zusammen: „Es gibt viele Gründe zu jammern, aber über mangelnde Identifikation vor Ort können wir uns keinesfalls beklagen“, sagt Präsident Wolfgang Wiedlich. Die Sponsoren verzichten für die aktuelle Saison weitestgehend auf mögliche Rückerstattungen. Im Falle einer Fortsetzung der aktuellen Spielzeit hätte man zudem einen „erstligareifen“ Kader.
Saisonabbruch oder sportliches Ende?
Keine Frage, ob München Berlin, Crailsheim oder Hamburg – der Faktor Zuschauer ist in allen Clubs der BBL groß. 25 bis 30 Prozent des Gewinns ist der Rahmen, in dem sich wohl die meisten Vereine bewegen. Und Spiele mit Zuschauern, dessen ist man sich in der Liga einig, wird es in der alten Saison eher nicht mehr geben. Bitter auch für Alba Berlin. Die Hauptstädter hätten in der mondänen Mercedes-Benz-Arena noch zwölf Heimspiele vor sich. „Das schmerzt schon sehr“, sagte Baldi.
Doch ein Abbruch also? In der Frage gehen die Meinungen in der Liga auseinander. Bayerns Marko Pesic zählt zu den Befürwortern einer, auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, vertretbaren Fortsetzung, gegebenenfalls mit Geisterspielen: „Dann hätten wir wenigstens sportliche Entscheidungen.“ Das vergleichsweise wohl starke Fernseherlebnis inklusive. In Crailsheim sieht man die Sache ähnlich. „Eigentlich haben wir doch angesichts der bestehenden Verträge gar keine Alternative, als zu Ende zu spielen“, sagte Merlins-Chef Martin Romig. Der Sensationsdritte, der zuletzt auch Alba Berlin stolpern ließ, würde natürlich auch zu gerne die Früchte ernten, die in dieser Saison bislang gesät wurden –bis hin zum Europapokal. In dieser Hinsicht ist man in Hamburg vergleichsweise zwiegespalten. Die Towers haben ihre Verträge allesamt nur bis Mai abgeschlossen. Eine spätere Saisonfortsetzung würde den Verantwortlichen komplizierte Vertragsverhandlungen bescheren. Doch Willoughby sagt: „Wir tragen jede Entscheidung mit.“
In Bonn dagegen vertritt man eine klare Meinung: „Geisterspiele würden das wirtschaftliche Desaster nur vergrößern und die Glaubwürdigkeit gegenüber den Fans verkleinern“, sagt Wiedlich und führt aus: „Geisterspiele passen aktuell nicht in die Lebenswirklichkeit der Menschen.“ Auch Würzburgs Steffen Liebler hält es derzeit „derzeit nicht für realistisch, dass die Saison fortgesetzt wird.“ Vechtas Niemeyer sagt zwar, dass es „rein aus der Sicht unseres Clubs“ sinnvoll wäre die Saison abzubrechen, hat aber auch zugleich mögliche Folgen im Blick: „Ich fürchte, dass der deutsche Basketball schnell um zehn Jahre zurückgeworfen werden kann.“
Klar ist allerdings allen Machern: Wenn fortgesetzt wird, dann brauchen die Profis neben einer möglichen Quarantäne für die Heimgereisten, eine zweiwöchige Vorbereitungsphase.
Ausblick auf eine unsichere Zukunft
So komplex die Gedankenspiele ob der aktuellen Situation sind, die kommende Spielzeit beschäftigt die Macher in der BBL noch weitaus mehr. Sportliche und finanzielle Planungen scheinen derzeit unmöglich. Wie könnte es auch anders sein. Wann kann wieder gespielt werden? Darf vor Zuschauern gespielt werden? Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Im Fall der Hamburg Towers ist die Sache sogar noch extremer: „Wir wissen ja nicht einmal, in welcher Liga wir spielen werden“, sagte Willoughby. Die Towers rangelten bislang mit dem Mitteldeutschen BC um Nichtabstiegsplatz 16.
Vechtas Niemeyer rechnet mit „immensen Einschnitten“, sollte die nächste Saison auch zu großen Teilen ohne Zuschauer gespielt werden. In Niedersachsen müsste man die Profigehälter dann mindestens um 50 Prozent reduzieren. Aktuell halten die Sponsoren zwar überwiegend noch zu den Vereinen, die Akquise der Geldgeber für die Zukunft gestaltet sich jedoch als Herkulesaufgabe.
Und da geht es auch den Großen der Liga nicht wirklich besser. Vertragsverhandlungen mit Spielern liegen auf Eis. Selbst Bayern-Kapitän Danilo Barthel, dessen Vertrag ausläuft, musste aufs Arbeitsamt. In Berlin läuft es nicht anders: „Vertragsverhandlungen kannst du momentan nicht führen“, betonte Marco Baldi. Immerhin: Die sozial schon seit Langem sehr aktiven Albatrosse erwiesen sich in der Krise schon wieder als kreativ. Das Online-Training via Youtube wurde inzwischen schon rund neun Millionen Mal abgerufen, die Berliner stockten die Zahl ihrer Abonnenten bei Youtube von 5000 auf rund 100 000 auf.
Doch auch Baldi ist sich absolut sicher: Egal wann es weitergeht, man wird wohl kleinere Brötchen backen müssen. Auch wenn die Mannschaft, die über drei Jahre aufgebaut worden war, ihre Verbundenheit mit dem Projekt Alba beschworen hat. „Wir wissen, was wir an den Spielern haben“, sagte Baldi. „Und die wissen, was sie an uns haben.“
Sein Kollege Marko Pesic in München ist ebenfalls verhalten optimistisch. „Alle Gespräche können in dieser Situation natürlich nur vage sein“, sagte er. „Aber Tatsache ist auch: Rückschläge haben uns in unserer Geschichte immer nur noch stärker gemacht.“