Neuer wehrt sich

Alleingang in neuer Dimension

von Redaktion

HANNA RAIF

Wenn Interviews von Beratern platziert werden, haben sie oft ein Nachspiel. Prominenteste Beispiele dafür sind in Reihen des FC Bayern jene Äußerungen, die Philipp Lahm (2009) und Robert Lewandowski (2017) von sich gegeben haben. Zur Erinnerung: Der damalige Kapitän Lahm führte vor elf Jahren ein Interview an der Clubführung vorbei, übte harsche Kritik und kassierte eine Rekord-Geldstrafe. Und Lewandowski setzte die Bosse öffentlich unter Druck, ein paar Milliönchen mehr in das Team zu investieren – auch das kam nicht gut an. Es ist nur logisch, dass auch jene Rechtfertigung, zu der sich Manuel Neuer am Wochenende gezwungen sah, lange mitschwingen wird. Denn sie hat eine neue Dimension.

Lahm hatte klar den Mannschaftserfolg im Sinn, als er sich zu Wort meldete („Transfers ohne System“). Lewandowski dachte zwar eher an sich selbst als an das Team, verpackte das aber hinter der Aufforderung, bitteschön „Weltklasse-Spieler nach München zu holen“. In jenem Interview, das Neuer und sein Berater Thomas Kroth nun mit der „Bild am Sonntag“ eingefädelt haben, geht es ausschließlich um eine Person. Um Manuel Neuer, oder: den besten Torhüter der Welt. Das Vorbild für so viele Kinder und Jugendliche. Und nicht: den gierigen Multi-Millionär, der den Hals nicht vollbekommen kann und seinen Posten niemals aufgeben wird. Die Bösen, so steht es nun da, sitzen auf Seiten des FC Bayern.

Man muss kein großer Kenner der Branche sein, um zu wissen, welche Spielchen zu Vertragsverhandlungen dazu gehören. Weil Neuer und sein Berater-Team aber nie dafür bekannt waren, hinter den Kulissen Stimmung zu machen, ist der Fall noch explosiver. Er ist geprägt von zahlreichen Fragen – warum ein Interview in ausgerechnet jenem Medium, das die Gerüchte um einen Fünfjahresvertrag und 20 Millionen Euro Gage pro Saison geschürt hat? Warum Ärger über das Bekanntwerden von Interna, wenn diese doch überhaupt nicht stimmen? Und er hat das Potenzial zu einem Politikum zu werden, das mehr betrifft als Neuers bloße Unterschrift.

Ohne zu urteilen, wer im Recht ist – es geht um Grundsätze: Was darf ein Kapitän? Wie definiert man Wertschätzung? Will man Maulwürfe bestrafen? Wie verhandelt man weiter? Dass beide Seiten sportlich an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert sind, steht außer Frage. Die Bayern müssen sich aber genau überlegen, wie sie mit diesem Novum umgehen. Sonst besteht die Gefahr von Nachahmern. Und wenn öffentliches Druckaufbauen in Zukunft Usus wird, haben sie ein Problem, das weit über die Torwartfrage hinausgeht.

Hanna.Raif@ovb.net

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