Köln – Keine wild umherhüpfenden Spieler, keine Champagner-Dusche für den Trainer: Emotionsloser hat der THW Kiel keinen seiner nun 21 Meistertitel gefeiert. Nach dem Abbruch der Handball-Bundesliga (HBL) ist der Rekordmeister zum ersten Corona-Champion ernannt worden – dank des Votums der 36 Erst- und Zweitligisten. Die erforderliche Dreiviertelmehrheit für den Abbruch ist laut HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann „deutlich überschritten“ worden.
Aus diesem Beschluss ausgenommen ist die Pokal-Endrunde. Für das Top4 will die Liga einen neuen Termin prüfen. Bei dem, derzeit noch für den 27./28. Juni angesetzten Turnier könnten die Kieler ihren Titel mit einer sportlichen Entscheidung veredeln. Sie treffen im Halbfinale auf Lemgo, dazu sind Hannover-Burgdorf und Melsungen noch im Wettbewerb.
„Aus sportlicher Sicht wäre es natürlich das Beste gewesen, die Saison fortzusetzen. Der Rahmen hat gesundheitlich, organisatorisch und wirtschaftlich aber nicht gepasst. Von den ungerechten Lösungen haben wir diese für die beste gehalten“, sagte Bohmann und fügte an: „Es ist ein echter Schlag ins Kontor. Es ist ein hoher wirtschaftlicher Verlust.“ Der Schaden wird auf rund 25 Millionen Euro geschätzt.
Dennoch fand der Vorschlag von Bob Hanning nur wenige Anhänger. Der Geschäftsführer der Füchse Berlin hatte angeregt, alle 18 Erstligisten im Juni an einem Ort innerhalb kürzester Zeit die verbleibenden Spiele zu absolvieren. „Geisterspiele sind schwer zu organisieren für Mannschaften außerhalb des Fußballs. Das blöde Virus einzudämmen, wäre bei jedem Fortsetzungsszenario schwierig geworden“, erklärte Bohmann.
Liga-Präsident Uwe Schwenker betonte, dass „ein Wiedereinstieg zu einem noch späteren Zeitpunkt nicht mehr machbar“ gewesen wäre, „da das Zeitfenster, das uns bis zum 30. Juni bleiben würde, zu klein wäre, um den Spielern auch nur annähernd die Chance zu geben, sich im Trainingsbetrieb auf den harten Wettbewerb vorzubereiten“.
Für Kiel ist es der erste Meistertitel seit 2015. Zudem hat sich der THW gemeinsam mit dem Nordrivalen SG Flensburg-Handewitt für die Champions League qualifiziert. Der SC Magdeburg, der TSV Hannover-Burgdorf und die Rhein-Neckar Löwen spielen in der Euro League (ehemals EHF-Cup).
Bei der Wertung der Spielzeit entschied sich das Präsidium gegen eine Annullierung und für die Anwendung der Quotientenregel, die Tabellenführer Kiel als bestes Team der Saison 2019/20 ausweist. Absteiger wird es nicht geben, Aufsteiger sind HSC 2000 Coburg und TuSEM Essen. Die HBL startet mit 20 Klubs in die Saison, in der es vier Absteiger geben wird.
„Wir müssen uns aber auch auf andere Szenarien vorbereiten“, sagte Bohmann und prophezeite schwere Zeiten: „Die Krisenmanagement-Qualitäten müssen nach vorne gestellt werden. Jeder muss den Kopf über Wasser halten und die nächste Saison überleben. Existenziell entscheidend wird es nun sein, wann wir wieder in unseren Arenen vor Zuschauern spielen können.“
Der Dauerkartenverkauf gestaltet sich schwierig, ebenso die Sponsorensuche. Großveranstaltungen sind mindestens bis zum 31. August verboten. Ob es danach wieder Spiele mit Zuschauern geben wird, ist völlig offen.
Anders als bei den Männern bleibt der Meistertitel bei den Frauen vakant. Nicht zuletzt weil das Spitzenspiel zwischen den, nur um einen Punkt getrennten, Teams aus Bietigheim und Dortmund noch ausstand, wird der Titel nicht vergeben. sid/dpa/mm