München – Niklas Süle war zuletzt stolz, und die medizinische Abteilung des FC Bayern verwundert. „Die hat das auch selten erlebt, dass ein Knie überhaupt nicht reagiert“, sagte der 24-Jährige. Sein linkes Knie, im Oktober operiert, machte bis jetzt alles mit, was der Abwehrspieler ihm zumutete. Das hieß letzte Woche: Aufwärmübungen mit den Kollegen im Kleingruppen-Training. Und es sollte bald heißen: Einstieg in das volle Programm unter Trainer Hansi Flick. Ende April, Anfang Mai hatte Süle als realistischen Zeitpunkt ins Auge gefasst. Seit dem Wochenende weiß man: Daraus wird nichts.
Nun hat es also auch Süle erwischt, den Muster-Reha-Patienten. Ein Ödem, also Flüssigkeit im Knie, zwingt den Nationalspieler laut „Bild“ zu einer kleinen Pause. Rund eine Woche soll er nun im Kraftraum leichte Übungen absolvieren und von den Physiotherapeuten behandelt werden. Dann kann der gebürtige Frankfurter sich langsam wieder an das Niveau rantasten, das er vor der verordneten Ruhephase hatte. Nervig, aber verschmerzbar – zumal Süle ja aufgrund von Bundesliga-Pause und EM-Verschiebung keinen Zeitdruck hat.
Corona-Gewinner – das ist so ein Wort, das man besser nicht in den Mund nimmt. Aber intern wird Süle freilich als dieser gesehen. Denn hätte die Pandemie nicht mit voller Wucht zugeschlagen, wäre dieser Rückschlag für Süle womöglich gleichbedeutend mit dem platzender EM-Traum gewesen. Die Saison der Bayern würde in drei Wettbewerben im Optimalfall noch gut eineinhalb Monate laufen, und Süle hätte zumindest ein paar Minuten Spielpraxis gebraucht, um zu testen, ob eine Teilnahme am Turnier Sinn hat. „Die EM war in meinem Kopf. Und ich gehe stark davon aus, dass ich es geschafft hätte. Aber es wäre ein Risiko gewesen“, sagte Süle. Dieses Risiko muss er nicht eingehen, und auch jetzt besteht überhaupt keine Eile. Ein paar Wochen hin oder her sind in der derzeitigen Situation nicht ausschlaggebend.
Süles Plan sah zuletzt vor, nach dem Einstieg ins umfassende Mannschaftstraining in drei bis vier Wochen voll belastbar zu sein. Tempo und Pensum sollten nach und nach hochgefahren werden, „um wieder dahin zu kommen, wo ich mich selbst sehe“. Ein paar Spiele würde er gerne in dieser Saison noch absolvieren. Natürlich habe er sich in den harten Reha-Monaten schon ausgemalt, „wie schön es sein wird, wieder in der ausverkauften Allianz Arena einzulaufen, diese Atmosphäre zu spüren“. Aber auch Geisterspiele sind für jemanden, der ein halbes Jahr notgedrungen nur Statist war, schon ein echtes Highlight. hlr