München – Der FC Bayern gibt in der Corona-Pause ein außerordentlich gutes Bild ab. Wäre da nicht die verzwickte Vertragssituation um Kapitän Manuel Neuer. Ein Thema, das die rote Anhängerschar spaltet. Ist der Nationalkeeper nun ein nimmersatter Abzocker oder das Opfer von bewusst gestreuten Verhandlungsdetails? Unsere Zeitung hat sich umgehört.
Christian Eichele (43) aus München: Alles in allem finde ich es sehr schade von Manuel Neuer, dass diese Meinungsverschiedenheit auf der medialen Ebene ausgetragen wird. Abgesehen davon glaube ich, dass der FC Bayern ihm lange genug die Treue gehalten hat – und zwar auch in den Zeiten, in denen es nicht so gut lief. Ich denke insbesondere an seine zahlreichen Verletzungen. Darüber hinaus möchte er mit seinem angestrebten Mega-Vertrag sicherstellen, dass sich der FC Bayern extrem schwertut, ihn auf kurze oder lange Sicht zu ersetzen. Selbst wenn Alexander Nübel die Qualität dazu hätte. In der Hinrunde hat Neuer wieder sein Weltklasseformat erreicht und sich die Möglichkeit erspielt, leistungsbezogene Forderungen zu stellen. 20 Millionen pro Jahr finde ich dennoch überhöht.
Oliver Conle (22) aus Grasbrunn: In meinen Augen handelt es sich bei der Causa Neuer um ein sehr verzwicktes Thema. Manuel Neuer ist die unumstrittene Nummer eins bei Bayern, daher müsste man diesen Vertrag aus leistungsspezifischen Gründen auch zweifelsfrei verlängern. Die neue Nummer zwei, Alexander Nübel, ist schlichtweg noch nicht auf Neuers Niveau. Das hat sich auch in der Bundesliga gezeigt, wo er auf Schalke den Stammplatz im Tor verloren hat. Nübel ist einfach noch jung und braucht noch Zeit, um sich auf dem höchsten Level weiterzuentwickeln. Natürlich ist es unschön, wenn Details jeglicher Art an die Presse durchsickern, aber das ist doch heutzutage so gut wie immer so. Da sollte Neuer auch kein allzu großes Fass aufmachen. Nichtsdestotrotz sollte der FC Bayern seinen Vertrag umgehend verlängern, Neuer ist der beste Torwart beim FC Bayern.
Detlef Sünkel (49) aus Lautertal: Manuel Neuer ist auch heute noch einer der besten, wenn nicht sogar der beste Torwart der Welt. Eine Tatsache, der sich der FC Bayern stets bewusst war und Neuer auch hat spüren lassen. Der Klub ist immer zu ihm gestanden, sei es bei den Fanprotesten nach seiner Verpflichtung oder bei den zahlreichen Verletzungen, die ihn schon des Öfteren zurückgeworfen haben. Eine Haltung, die nicht selbstverständlich ist. Mit Blick auf die 20 Millionen Jahresgehalt – sofern die Zahlen denn stimmen – bleibt einem natürlich die Spucke weg. Gerade jetzt sind wir doch alle angehalten, die Kirche doch bitteschön im Dorf zu lassen. Neuer ist ein grandioser Torwart, keine Frage. Doch auch er ist kein Gianluigi Buffon, der in seiner Karriere von Verletzungen verschont geblieben ist und bis in die Mittvierziger spielen kann. So oder so geht die Verhätlnismäßigkeit im Sport immer mehr verloren beim Blick auf diese irren Zahlen.
Mitglied der aktiven Fanszene (wollte anonym bleiben, wurde aber persönlich befragt): Ich kann sämtliche Parteien verstehen. Sowohl Manuel Neuer, den die Verpflichtung von Alexander Nübel etwas irritiert haben dürfte, als auch Nübel selbst, der mit Blick auf seinen Vordermann eine Einsatzgarantie im Vertrag haben wollte. Und mit Blick auf die kolportierten 20 Millionen Gehalt pro Jahr verstehe ich, dass man derartige Summen in den Zeiten, die wir aktuell erleben, nicht in der Presse nachlesen will. Es zeigt aber einmal mehr, dass sich beim Fußball alles nur ums eine dreht – nämlich ums gute, alte Geld. Gerade jetzt wird Wasser gepredigt, aber weiterhin Wein getrunken. Es wird Solidarität auf die Werbebanden geschrieben, intern aber munter weiterscharmützelt. Die Causa Neuer zeigt vor allem, dass Grabenkämpfe und Kompetenzgerangel an der Säbener Straße weiterhin an der Tagesordnung stehen. Der FC Hollywood wie er leibt und lebt, auch in Zeiten von Corona.
Interviews: Carlos Menzel Lopez