„Es sieht aus wie im Krieg“

von Redaktion

Ex-Bayer Maxi Kleber, Stammkraft bei Dallas, über das Leben in der Corona-Krise in den USA

München – Um seine unmittelbare Zukunft immerhin muss Maxi Kleber nicht fürchten, ein 35-Millionen-Dollar-Vertrag bindet ihn bis zu drei weitere Jahre an Dallas. Mittlerweile gilt der frühere Bayern-Basketballer als einer der Gründe für den Aufschwung der Mavericks, die in der nun unterbrochenen Saison mal wieder die Playoffs anvisieren. Ein Erfolg, den der 28-Jährige natürlich gerne weiter auskosten will, wie er im Interview mit unserer Zeitung erklärte.

Wie könnte man Ihre momentane Situation beschreiben? Alleine in Dallas?

(lacht) So in etwa. Am Anfang war mein Stiefbruder noch hier, aber als es abzusehen war, dass es mit dem Reisen schwieriger wird, haben wir schnell noch einen Flug besorgt und er ist nach Deutschland zurückgeflogen. Ja, und so halte ich mich jetzt hier alleine fit. Das geht in meiner Wohnung in einem gewissen Rahmen ganz gut. Nur einen Korb habe ich nicht.

Wie sieht das Leben in Dallas im Moment aus?

Das Leben ist genauso runtergefahren wie so ziemlich überall. Restaurants und Läden sind geschlossen. Mittlerweile gibt es sogar Auflagen für die Parks hier. An bestimmten Wochentagen dürfen nur die Menschen auf die Trails, deren Nachname mit den Buchstaben von A bis K beginnt. An den anderen Tagen die anderen. Die Einhaltung wird von Rangers sehr streng überwacht.

Und die Stadt gehört zu den weniger betroffenen der USA. Anders als New York. Wenn man die Bilder von dort sieht, lernt man das deutsche Gesundheitssystem zu schätzen . . .

Ich habe schon immer gesagt, dass das deutsche Gesundheitssystem etwas Besonderes ist. Es ist sicher eines der besten der Welt, und darüber können wir uns absolut glücklich schätzen. Vor allem, wenn man solche Bilder sieht. Das ist absolut unfassbar, es sieht aus wie im Krieg. Das habe ich mir in den wildesten Träumen nicht vorstellen können.

Sie haben wie so manch anderer NBA-Profi spontan gespendet.

Ja, ich habe zum Beispiel einen Verein unterstützt, der dafür sorgt, dass Kinder in den armen Vierteln der Stadt Essen bekommen. Sie bekommen dort ja nichts, weil die Schulen geschlossen sind. Es ist einfach wichtig jetzt, Solidarität zu zeigen. Gerade hier, wo die Menschen einfach auf sich alleine gestellt sind. Dazu gehört genauso, die Regeln zu beachten, das ist für mich absolut selbstverständlich.

Wegen der Corona-Krise ist die Saison ausgesetzt. Sie haben vor der Saison einen gut dotierten Vertrag unterschrieben. Das dürfte die Ungewissheit erträglicher machen.

Natürlich, ganz klar. Ich habe mir das zuletzt auch gedacht. Der Free-Agent-Markt ist jetzt natürlich eine Katastrophe. Allerdings betrifft das so viele Spieler. Ich glaube, dass sich das schnell wieder relativiert, sobald wieder gespielt werden kann.

Glauben Sie noch an eine Fortsetzung?

Das ist eine gute Frage. Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Man hört ja fast jeden Tag etwas anderes. Die Liga arbeitet an Lösungen. Dass vielleicht im Juli wieder gespielt wird. Wie das dann auch immer aussehen würde. Sport ist momentan sicher nicht das Wichtigste, was es gibt. Aber ganz klar, wenn es von der gesundheitlichen Seite her möglich ist, würde ich mich freuen, wenn es weitergeht.

Zumal Sie und die Ma-vericks bislang eine starke Saison gespielt haben. In der Western Conference liegen sie als Siebter erstmals seit 2016 auf Playoff-Kurs. Der erste Erfolg der Generation Doncic.

Es ist gut gelaufen für uns, ja. Und über Luka Doncic muss man natürlich nicht reden. Er ist jetzt schon, mit 19 Jahren, einer der besten Spieler der Liga. Das ist schon unglaublich. Er vereint Spielintelligenz und eine unglaubliche Leichtigkeit mit Auge. Kaum ein Spieler kann dich in der Ecke so freispielen. Der macht auf diese Weise alle anderen auch besser.

Aber auch sie haben einen großen Anteil am Aufschwung. Nicht zuletzt der neue Vertrag zeigt die Wertschätzung, die sie genießen.

Es ist ein bisschen schwierig, sich selbst zu beurteilen. Aber bei mir ist es sicherlich gerade in dieser Saison ganz gut gelaufen, ich kann mich nicht beschweren.

Was hat sich verändert?

Zum einen habe ich es mal besser hingekriegt, wirklich gesund zu bleiben. Aber vor allem habe ich immer besser in meine Rolle in der Mannschaft gefunden. Habe verstanden, was man von mir hier erwartet. Zum Beispiel, dass ich ein harter Verteidiger sein soll.

Das klingt sehr teamorientiert. Sie lieferten aber auch so manche persönliche Highlights wie den gewaltigen Block gegen Jamal Murray, der den Überraschungssieg gegen Denver ermöglichte. Hat das Bedeutung für Sie?

Ganz ehrlich: Ja, das bedeutet mir schon etwas. Wenn du solche Highlight-Plays hast, die dann vielleicht auch in die Rückblicke kommen. Das hat schon auch was. Auch wenn es dich dann möglicherweise auf die Poster bringen. Aber damit musst du dann leben (lacht).

Wenn Sie wählen könnten zwischen den Playoffs und Olympia . . .

Naja, diese Wahl habe ich ja nicht. Die Playoffs zu spielen, das ist natürlich etwas, worauf du das ganze Jahr hinarbeitest. Aber klar ist auch: Wir haben letztes Jahr bei der WM (in China, d.Red.) mit der Nationalmannschaft großen Mist gebaut. Da hat sich sicherlich jeder viel vorgenommen. Bei Olympia dabei zu sein, wäre großartig gewesen. Das ist in diesem Sommer leider nicht möglich. Das ist bitter. Aber wer weiß, vielleicht qualifizieren wir uns ja im nächsten Jahr. Und dann gibt es ja auch noch eine Heim-EM.

Interview: Patrick Reichelt

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