Amsterdam – Nach dem Saisonabbruch in der Eredivisie und der zweiten Liga hofft der niederländische Fußballverband (KNVB) auf staatliche Finanzhilfen. „Wir schlagen Alarm wegen der Konsequenzen für unsere Branche“, schreibt KNVB-Sportdirektor Eric Gudde in einem Brief, der dem Fernsehsender NOS vorliegt: „Wir bitten Sie, mit uns gemeinsam nach kreativen, realen und verfügbaren Lösungen für den Profifußball zu suchen.“
Den Schaden für das vorzeitige Saisonende aufgrund der Coronakrise beziffert Gudde auf Minimum 300 Millionen Euro, dieser Betrag könne bis auf 400 Millionen steigen. „Um all dies zu bewältigen, ist Hilfe und Zusammenarbeit mit der Regierung erforderlich, um das Überleben des Sektors zu sichern“, so Gudde.
Die drohenden finanziellen Probleme sollen allerdings nicht einzig durch den Staat aufgefangen werden. Laut Gudde haben die Spitzenklubs „die schwere moralische Verpflichtung“, 25 Prozent ihrer Startgelder aus den europäischen Wettbewerben mit finanzschwachen Ligakonkurrenten zu teilen.
Die niederländische Meisterschaft war am Freitag abgebrochen worden. Ein Meister wurde nicht gekürt, ebenfalls wird es keine Absteiger aus der Eredivisie und keine Aufsteiger aus der 2. Liga geben. Da einige Klubs mit diesen Entscheidungen unzufrieden sind, droht dem KNVB eine Klagewelle.
Während bei den abstiegsbedrohten Erstligisten ADO Den Haag und RKC Waalwijk der Klassenerhalt gefeiert wurde, regte sich an der Spitze des niederländischen Unterhauses (Eerste Divisie) Unmut nach der KNVB-Entscheidung: Der SC Cambuur und De Graafschap, die beiden besten Vereine der 2. Liga, kündigten rechtliche Schritte an. „Das fühlt sich wie die größte Schande in der Geschichte des niederländischen Sports an“, sagte Cambuur-Manager Henk De Jong. Seine Mannschaft hatte elf Punkte Vorsprung auf die Playoff-Plätze, als die Liga unterbrochen wurde.
Volle Rückendeckung erhielt De Jong auch vom Geschäftsführer der Eerste Divisie, Marc Boele. „Es fühlt sich so an, als würden wir nicht ganz ernst genommen werden“, sagte er: „So, als ob wir eine Art abgewerteter Wettbewerb sind. Das ist bitter.“
Doch nicht nur in den Niederungen ist der Aufschrei groß, auch im Kampf um die Meisterschaft und die internationalen Plätze sind die Gemüter erhitzt. Vor allem beim Tabellenzweiten AZ Alkmaar, aber auch beim Pokalfinalisten FC Utrecht. Alkmaar, das bei Unterbrechung der Saison wegen des Coronavirus punktgleich mit Tabellenführer Ajax Amsterdam an der Spitze lag, will laut AZ-Sportdirektor Robert Eenhoorn gegen die KNVB-Entscheidung vorgehen.
Aber auch Ajax muss weiter auf seinen 35. Titel warten. Der Rekordmeister belegte nach 25 Ligaspielen nur aufgrund der besseren Tordifferenz Rang eins, Alkmaar gewann aber das Hin- und Rückspiel gegen den Rekordmeister – und dürfte bei einem Verfahren entsprechend argumentieren. Hinzu kommt: Ajax wurde für die Playoffs der Champions League nominiert, Alkmaar nimmt hingegen erst mal „nur“ an der zweiten Qualifikationsrunde teil.
Weil auch das Pokalfinale zwischen Feyenoord Rotterdam und FC Utrecht abgesagt wurde, droht dem KNVB eine weitere Klage. Wie Utrechts Mehrheitsaktionär Frans van Seumeren erklärte, wolle er „die besten Rechtsanwälte des Landes“ engagieren, um vor Gericht zu ziehen sowie bei den entsprechenden Instanzen der UEFA gegen den KNVB zu klagen.
Van Seumeren fühlt sich benachteiligt, weil Utrecht sich im Falle eines Pokalsieges für die Europa League qualifiziert hätte. Den Vorschlag, das Pokalfinale nach dem 1. September zu spielen, hatte der KNVB abgelehnt. Die niederländische Regierung hatte zuvor Großveranstaltungen bis zum 1. September verboten. dpa/sid