München – Er ist für viele der derzeit beste Handballer der Welt. Im Sommer wechselt Sander Sagosen vom Starensemble Paris Saint-Germain zum THW Kiel in die Bundesliga. Ein Schritt, mit dem sich der 24-jährige Norweger einen Kindheitstraum erfüllt. Der aber auch einen seltsamen Nebeneffekt hat, wie er im Interview erklärt.
In Norwegen sind die Corona-Zahlen überschaubar. Ist es diesmal besonders gut, zuhause zu sein?
Oh ja, in Norwegen ist die Situation unter Kontrolle. Mir und meiner Familie geht es gut. Ich sehe meine Freundin und meine Eltern jetzt mehr als sonst, das ist sehr schön. Wenn ich ein Problem habe, dann dass mir ein bisschen langweilig ist. Aber so geht es jetzt wahrscheinlich vielen.
In Paris sieht die Situation ganz anders aus …
Ja, als ich vor rund einem Monat dort abgereist bin, war es schon kritisch. Es hieß, Norwegen macht wohl die Grenzen dicht, die Lage in Paris war sehr unübersichtlich. Aber jetzt ist es extrem. Ich habe teilweise Kontakt mit Teamkollegen, die erzählt, dass du nicht ohne einen Passierschein nach draußen gehen kannst. Paris ist eine Stadt, die ich sehr liebe. Es macht mich sehr traurig, was dort gerade passiert.
Die Handball-Saison in Frankreich wurde abgebrochen, Sie wurden mit Paris St. Germain zum Meister erklärt. Welches Gewicht hat so ein Titel?
(lacht) Das ist schon unheimlich seltsam. Es ist nicht so, dass du ein Spiel gewinnst und dann den Pokal bekommst. Da kam eine Nachricht: Die Saison ist zu Ende, ihre seid Meister, toll gemacht, Jungs. Da hast du acht Monate auf ein Ziel hingearbeitet, Und dann kannst Du nicht mit den Teamkollegen feiern, nicht mit den Fans oder den Menschen im Verein. Das ist schon komisch.
Zu den Zielen, auf die sie hingearbeitet haben, gehört auch die Champions League. Aber deren Finale wurde auf Ende Dezember verlegt. Sodass sie nun mit einem neuen Club um den Titel spielen – sie wechseln nach Kiel.
Das ist auch sehr seltsam. Du kämpfst mit einem Club um dieses Ziel und den letzten Schritt machst du dann mit einem anderen. Es ist ein bisschen schade, dass ich den Wettbewerb nicht mit den Teamkollegen zu Ende bringen kann. Aber die Zeiten sind einfach seltsam. Ich bin sehr hungrig auf den Titel und werde alles dafür tun, ihn zu holen.
Sie sind dann zumindest näher an der Heimat. Aber manch einer hält den Wechsel für einen Rückschritt. Die Bundesliga hat ihren Nimbus in Europa verloren.
Ach, so viel näher ist das auch nicht. Es gibt ein Schiff von Oslo, aber das braucht auch 24 Stunden. Aber ich sehe das ganz anders. Die Spitze in Frankreich und in der Bundesliga, Paris Saint-Germain und der THW Kiel, sind für mich ungefähr auf einem Niveau. Aber dahinter ist die Bundesliga stärker. Dort zu spielen ist für mich ein absoluter Kindheitstraum. Jedes Spiel vor 10 500 Zuschauern zu spielen – sobald es wieder Zuschauer gibt – das ist wie ein WM-Finale zuhause. Und der THW ist einer der wichtigsten Vereine der Handballgeschichte. Der Verein hat so viel Tradition, so viel gewonnen. Viktor (Szilagyi, Geschäftsführer, Anm.d.Red) und Filip (Jicha, Trainer, d.Red.) haben einen klaren Plan. Man will dort weiter alles gewinnen und das will ich auch.
Sie werden auch für individuelle Titel wie den Welthandballer hoch gehandelt. Welchen Wert hat das?
Natürlich einen großen Wert. Ich wollte immer der beste Handballer des Welt sein. Insofern ist es ein Kompliment, wenn mich die Leute so bewerten. Aber ich habe da eine einfache Rechnung. Wenn ich in der besten Mannschaft spiele und Titel gewinne, dann kommen persönliche Auszeichnungen von ganz alleine.
Sie wollten der beste Handballer werden. Haben Sie es geschafft?
(lacht) Ach, das sollen andere bewerten. Manche sehen es so, manche bevorzugen andere Spieler. Ich bin 24 Jahre alt und ich denke, ich kann mich noch in vielen Bereichen steigern.
Das klingt fast wie eine Drohung. Wo sehen Sie Luft nach oben?
Überall. Ich kann mich in allen Bereichen verbessern. Ganz klar. In der Defensive, in der Offensive, mein Wurf soll besser werden. Meine Entscheidungen. Alles. Der Handball ist so komplex.
Wird denn der Handball nach Corona der gleiche sein? Werden die gleichen Clubs oben stehen.
Ich hoffe es und ich denke es, dass der Handball der gleiche ist. Die ganze Welt vermisst den Sport. Und ich hoffe, dass sie den Handball vermisst, so wie ich ihn vermisse. Ich glaube auch, dass die gleichen Clubs oben stehen werden, wenn dieser Mist vorbei ist. Sie verlieren jetzt zwar mehr Geld als andere, aber sie haben die besten Spieler und das wird am Ende entscheiden.
Interview: Patrick Reichelt