Er habe sich selbst nicht wirklich als Weltmeister gesehen, hat Jupp Heynckes erst kürzlich gesagt. Das Endspiel 1974, das er als Statist verfolgte, war „meine größte Enttäuschung“. Natürlich jubelte er nach dem Sieg, aber er fühlte ihn nicht. Vielleicht ist es eine späte Genugtuung, wenn der Weltmeister-Kapitän von 2014 seinem ehemaligen Coach Jupp Heynckes pünktlich zu dessen 75. Geburtstag einen Anteil am Titel zukommen lässt, den das DFB-Team 40 Jahre später gefeiert hat. Und Philipp Lahm hat schon recht mit seiner Einordnung: Der deutsche Fußball hat Jupp Heynckes viel zu verdanken.
Wer vier Mal den FC Bayern trainiert und dazu mit dem Triple-Gewinn Historisches geleistet hat, hat seinen Platz in den Annalen sowieso sicher. Heynckes aber will und kann sich über mehr definieren als eine bloße Anzahl an Titeln. Es ist ja kein Zufall, dass jeder Bayern-Trainer an diesem Mann gemessen wird. Die, die vor ihm arbeiteten. Die, die auf ihn folgten. Die, die zwischen seinen Engagements da waren. Und die, die kommen werden. Der Name Heynckes schwingt immer mit.
Warum? Da nimmt man mal die Jahre 2011 bis 2013: Heynckes hatte große Spieler, aber auch eine große Mission. Das Scheitern 2012 tat weh, gehörte aber dazu. Im Jahr darauf folgten ihm alle Profis, alle gaben alles für den maximalen Erfolg. Und der Triumph von Wembley setzte in dieser lange als unvollendet geltenden Generation das Selbstvertrauen frei, das sie noch ein Jahr später zum WM-Sieg führte. Schritt für Schritt aufgebaut. Auf dem Platz, aber vor allem – viel wichtiger – daneben.
Das Wort „Menschenfänger“ ist ihm freilich zu überhöht, es passt aber auf den „späten“ Heynckes. Als Ü-60-und Ü-70-Coach war er keineswegs altersmilde, sondern sich seiner Fähigkeiten und Autorität bewusst. Wann immer einen Star etwas hemmte, suchte Heynckes das Gespräch. Einfühlsam, aber nicht abnickend. Am Ende fühlte sich jeder auf seine Art beteiligt am Erfolg – auch die Ersatzspieler. Das muss man erst mal hinkriegen.
Das Schöne ist: Auch Heynckes musste erst zum Triple-Trainer reifen. Und die Bayern können sich glücklich schätzen, in Hansi Flick einen ähnlich bodenständigen Menschen gebunden zu haben. Auch da ist kein Zufall, dass der prominenteste Fürsprecher der Personalie den Namen Heynckes trägt. Der Rat dieses Mannes zählt nach wie vor. Gute Typen kommen nicht aus der Mode.
Hanna.Raif@ovb.net