Eine Extrawurst, die jede Menge Jobs rettet

von Redaktion

Die Kritik bleibt laut – doch der Profifußball besteht nicht nur aus verwöhnten Millionären

VON JOSÈ CARLOS MENZEL LÒPEZ

München – Panem et circenses. Zu deutsch: Brot und Spiele. Dieser Ausdruck stammt vom römischen Dichter Juvenal und beschreibt die Grundbedürfnisse eines von politischen Interessen befreiten Volkes zur Zeit des Römischen Reiches um Christi Geburt, das einen vollen Bauch und jede Menge Blut in den Arenen begehrte.

Zwei Jahrtausende später rollen statt Köpfe nunmehr nur noch Bälle in den Stadien, der Grundkonflikt um die Sonderrolle der Unterhaltungsbranche jedoch bleibt. Insbesondere jetzt, wo Angela Merkel, sozusagen der moderne Cäsar, den Daumen mit Blick auf die Wiederaufnahme der 1. und 2. Fußball-Bundesliga trotz der kontemporären Pest namens Coronavirus gehoben hat, fühlen sich Teile der Plebs hinters Licht geführt. Der Unterschied zu Rom: Die Kritiker sind heute mehr. Und lauter.

Sie stammen sogar aus den eigenen Reihen. Laura Dahlmeier, Weltklasse-Biathletin und somit ebenfalls Profisportlerin a. D., beklagt in der Entscheidung für eine Rückkehr der Bundesligen eine Extrawurst für den Profifußball. Sie sagt: „Ob das jetzt pervers oder typisch Fußball ist, ist schwer zu beurteilen.“ Und weiter: „Fußball steht über allem. Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn man noch ein bisschen warten würde, es muss ja jetzt nicht sofort gespielt werden.“ Dahlmeier plädiert für eine sportliche Gleichberechtigung, schließlich sei es schwer zu argumentieren, dass „kleine Jungs nicht kicken dürfen, aber im Fernsehen kann man wieder Bundesliga anschauen“. Laut einer Umfrage von infratest dimap sind 50 Prozent der Befragten gegen eine Fortsetzung der Bundesligen.

Der Grad, auf dem sich die Profifußballer ab kommenden Samstag bewegen, ist ein schmaler. Im Gegensatz zu den von Dahlmeier zitierten Jungs auf den Bolzplätzen haben Robert Lewandowski & Co. tatsächlich eine übergeordnete Rolle für die inländische Volkswirtschaft. „Der deutsche Profifußball ist mit einem Umsatzvolumen von fünf Milliarden Euro und über 56 000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“, erklärt Dr. Peter Rohlmann, Gründer des Beratungsbüros PR Marketing (siehe Interview).

Zum Vergleich: Der Anteil des Profifußballs am deutschen Bruttoinlandsprodukt beträgt 0,3 Prozent – mehr als beispielsweise der der zivilen Luftfahrt oder der Textilindustrie. Diese Zahlen allein treffen allerdings nicht den Kern des Konflikts. Es geht um das trügerische Bild, das Salomon Kalou und Konsorten. Transfers für über 200 Millionen Euro oder mit Gehaltszetteln wedelnde Jung-Millionäre führen zur Entfremdung. So manch einer fragt sich: Warum billigt die Politik eine Sonderbehandlung für diejenigen, die ohnehin schon am meisten haben? Ein weiterer Trugschluss, denn: Von dem Erwirtschafteten profitieren direkt am System Profifußball beteiligte wie Spieler, Clubs oder Verbände laut einer McKinsey-Studie nur zu einem Viertel.

Von den übrigen drei Vierteln, die sich auf rund acht Milliarden Euro belaufen, begünstigen sich indirekt Beteiligte wie beispielsweise Zulieferer, Lizenznehmer oder auch das Restaurant um die Ecke. Der Profifußball ist auch für sie überlebensnotwendig. Für sie und die Klubs auch. Statt Extrawurst sollte daher vielmehr von Gleichberechtigung die Rede sein; für eine viele Tausende Personen umfassende Branche, die unter Vorlage eines strengen Hygienekonzepts den Schritt zurück zu wirtschaftlicher Tätigkeit wagt. Zu Spielen, die für Deutschland gleichzeitig Brot sind.

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