Jens Lehmann. Man braucht nur den Namen zu erwähnen, und schon rattert es in den Köpfen der Fußball-Interessierten. Jeder kennt irgendeine Lehmann-Geschichte. Wir listen mal auf. Flog mit dem Helikopter zum Training. Fuhr aber auch schon mal mit der S-Bahn nach Hause, nachdem er ausgewechselt worden war. Nahm einem kritischen Fan einfach die Brille weg. Erleichterte sich im Spiel hinter einer Werbebande. Irgendwas war da kürzlich auch mit Steuer und Wohnsitz in Deutschland, als er in England gemeldet war. Und mit zu schnellem Autofahren, was der Bruder gewesen sein sollte. Letzter PR-Moment: Vor ein paar Wochen dachte er im „Doppelpass“ darüber nach, dass man in Coronazeiten leicht 20 000 Zuschauer in die Allianz Arena lassen könnte. Auf der anderen Seite: Fantastischer Torhüter, der erste mitspielende, beanspruchte damals vor der WM 2006 völlig zurecht die Position des Platzhirschen Oliver Kahn, Elfmeterheld gegen Argentinien, eine Saison unbesiegt mit Arsenal, eloquenter Experte bei RTL und in seinen guten Momenten ein kluger und höflicher Gesprächspartner. In der Bilanz überwiegt aber das Freakige an Lehmann.
Die bundesweite Resonanz auf seine Berufung in den Aufsichtsrat von Hertha BSC klang mehr nach Hahahohe, als dass sie als kluge personelle Entscheidung wahrgenommen worden wäre. Lehmann soll in dieser Funktion ja auf Jürgen Klinsmann nachfolgen (bevor dieser sich auch als Trainer installierte), und es ist offensichtlich, dass Lars Windhorst, der Investor im Berliner Fußball, auf Aufmerksamkeitseffekte setzt bei seinen Personalien. Insofern ist „Mad Jens“ ein passender Ersatz für „Klinsi“ – denn beide sind Reiz- und PR-Figuren. Prominenz ist ein wichtigeres Kriterium als Kompetenz.
Obwohl: Über Sachverstand verfügt Lehmann sicher. Er hat für sich nur noch keine Linie gefunden, wie er sie einbringen will. (Chef-)Trainer wird er nach seiner missglückten Co-Episode beim FC Augsburg so schnell nicht, als Manager im Tagesgeschäft ist er noch nirgendwo reingekommen, er bewegt sich an den Rändern, ohne den Eindruck zu schaffen, angekommen zu sein. Und er ist auch schon 50.
Insofern passt er aber zur Hertha. Einem Verein, der schon lange dabei ist und sich schwer damit tut, zu definieren, was er sein will.
Guenter.Klein@ovb.net