Millionen von Vorbildern

von Redaktion

Nun sind sie seit fünf Tagen wirklich wieder offen. Tennisvereine, Golfplätze, Kletteranlagen. Die Amateursportler erobern sich langsam ein Stück ihrer Freizeit zurück. Vor den Eingängen hängen in der Regel fein laminierte Zettel mit Hygienehinweisen des zuständigen Sportverbands. Im bestem Beamten-Deutsch wird dort das korrekte Corona-Verhalten für die nächsten Wochen skizziert, mit dem der jeweilige Sport wieder abseits von überfüllten Laufrunden und dem Fahrradstau an der Isar möglich ist.

Damit liegt die Verantwortung nun bei jedem Einzelnen, diesen Vertrauensvorschuss zu rechtfertigen und mit Leben zu füllen. Unter den Feierabendathleten sind mit Sicherheit auch viele Naserümpfer, die über das Facebook-Video des Berliner Fußball-Profis Salomon Kalou den Kopf geschüttelt haben. Oder Zweifel haben, ob der Profi-Fußball mit seinen teilweise der Realität entrückten Protagonisten zu Recht den Spielbetrieb wieder aufnimmt.

Nun haben es die Amateure selber in der Hand: Sie müssen beweisen, dass sie über mehr Verantwortungsbewusstsein verfügen. Und zwar nicht nur euphorisiert von den Lockerungen am Anfang, sondern konsequent über die nächsten – ja wahrscheinlich – Monate. Keine einfache Aufgabe.

Pünktlich zum Amateur-Neustart stand auch ich wieder auf dem Tennisplatz. Ein seltsames Gefühl, dem lange nicht gesehenen Spielpartner zur Begrüßung nicht die Hand zu geben. Genauso wie in der Pause auf einer meterweit entfernten Bank Platz zu nehmen. Oder nach Spielende den direkten zum Auto oder Fahrrad zu wählen. Alles machbar, keine Frage. Aber sobald man selber betroffen ist, merkt man, wie tief soziale Verhaltensweisen in einer Persönlichkeit eingebrannt sind und es anstrengend ist, sich diesen zu widersetzen.

Aber mit dem Ziel vor Augen, hoffentlich nur ein paar Monate durchhalten zu müssen, sollten Motivationsprobleme kein Thema sein. Die nächsten Monate sind die Chance für Millionen Hobbysportler zu demonstrieren, dass sie bessere Vorbilder sind als Salomon Kalou und einige seiner Kickerkollegen.

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