Er wollte launig und kein Eisklotz sein

von Redaktion

Wie es zur Quarantäne-Erzählung von Heiko Herrlich kam – „Spieler nicht denunzieren“

VON GÜNTER KLEIN

Augsburg – Es ist eine Geschichte aus Ausnahmezeiten, sie gehört ab sofort zum Anekdotenschatz der Bundesliga. Ihr Inhalt zusammengefasst: Ein Trainer verpasst sein Debüt beim neuen Club, weil er ein Alltagsgeschäft erledigt. Er geht in den nächsten Supermarkt und kauft Zahnpasta und Hautcreme.

Am Donnerstagmittag im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz erzählte Heiko Herrlich davon, wie ihm im Quarantänehotel des FC Augsburg die beiden Pflegemittel auszugehen drohten, weswegen er schnell einkaufen ging. Er berichtete das von sich aus, es hatte keine Frage gegeben, die konkret dazu geführt hätte. Herrlichs erste Pressekonferenz anlässlich seiner Einstellung am 10. März war, so die Kritik, ein wenig spröde geraten, vielleicht darum wollte er bei der zweiten, pandemiebedingt zwei Monate später, locker und launig rüberkommen. Er war so detailfreudig, wie man es bisher nur von Jupp Heynckes kannte, wenn der schilderte, wie er für seine Frau am Morgen einen Obstsalat zubereitet.

Herrlich ließ die Zuhörerschaft am Kaufvorgang sehr genau teilhaben. Die Maske hatte er vergessen, er musste wieder ins Hotel zurück, dann wollte er ohne Wagen in den Laden, musste seinen 20-Euro-Schein erst wechseln lassen, um ein Ein-Euro-Stück zu haben. Und er überlegte, ob es gefährlich sei, den Einkaufswagen anzufassen: „Du weißt nicht, wie viele ihn zuvor geschoben haben. Ich habe mich darauf konzentriert, mir nicht ins Gesicht zu fassen.“

Mit den Problematiken ist Heiko Herrlich durchaus vertraut, er wollte auch zum Ausdruck bringen, dass er die Weltlage verfolge. „Man schaut: Was passiert in Italien, Spanien, den USA? Wir sind keine Eisklötze.“ Er selbst zählt mit geschwächtem Immunsystem nach überstandener Krebserkrankung aus seiner Spielerzeit zur Risikogruppe. Bei seiner Pressekonferenz saß er in weitem Abstand zu FCA-Pressesprecher Dominik Schmitz, zwischen beiden war noch eine Scheibe aufgezogen. Zudem erwähnte Herrlich, dass am Abend zuvor die Geschäftsführer Stefan Reuter und Michael Ströll Mannschaft und Trainerstab über Corona-Regelungen informiert habe.

In denen ist die Quarantäne aber halt sehr klar geregelt. Und selbst wenn die Spieler und Trainer nach dem ersten Spieltag erst einmal nach Hause dürfen und vor den folgenden Spieltagen nicht immer eine komplette Woche einkaserniert werden – auch dafür ist das Verhalten klar geregelt. Sie dürfen keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und nicht einkaufen gehen.

Zwischen Herrlichs Erzählungen vom Shopping, die er mit einem arglosen Lächeln unterlegte, und der Reaktion des FC Augsburg lagen achteinhalb Stunden, und man kann sich vorstellen, dass die Zentrale der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt in die Aufarbeitung einbezogen war. Jedenfalls wurde beschlossen, dass Heiko Herrlich auf Abstand zur Mannschaft geht, nicht das Abschlusstraining am Freitag leitet und am Samstag nicht zum Spiel gegen Wolfsburg, das schon am 15. März sein erstes als FCA-Coach hätte sein sollen, kommt. Er kann telefonisch das Geschehen begleiten und seinen Assistenten Tobias Zellner, der noch aus dem Personalfundus von Markus Weinzierl (Trainer von 2012 bis 2016) stammt, instruieren. Kontakt zum Team darf Herrlich erst nach zwei negativen CoronaTests wieder aufnehmen.

Herrlich hatte auf seiner Pressekonferenz auch zustimmend Markus Söder zitiert („Wir sind jeden Tag Lernende“) und sich dafür ausgesprochen, TV-Bilder nicht auszuweiden, wenn sie Spieler zeigen, die dann doch mal ausspucken, mit dem Kollegen abklatschen. Man sollte sie „nicht denunzieren“.

In dieser Geschichte fügt sich alles zusammen. Historienstoff!

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