Geisterrennen als Volltreffer

von Redaktion

RIEM Erstmals starten Galopper vor leeren Rängen – der Wettumsatz ist ungewöhnlich hoch

München – Zwei Dinge stechen bei diesem ersten Renntag unter Corona-Bedingungen am Freitag auf der Galopprennbahn in Riem ins Auge: Zum einen der unheimlich freie Raum – keine 50 Personen (nur Pferdeführer, Trainer, Sicherheitspersonal und Verantwortliche des Rennvereins) verlaufen sich vor den leeren Tribünen. Zum anderen die legere Kleidung der Offiziellen – statt Anzug und Krawatte herrschen Freizeitlook und die obligatorischen Mund-Nasen-Masken vor.

In eine ganz neue Rolle schlüpft der Hausherr, Dietrich von Boetticher. Während der Präsident des Münchener Rennvereins (MRV) gewöhnlich im Hintergrund agiert, ist er jetzt überall auf der Bahn zu sehen: Im Führring, an der Startmaschine, am Waagegebäude.

Eine finanzielle Schieflage von Bahn und MRV befürchte er nicht, sagt von Boetticher, obwohl Wetten nur im Internet und nicht vor Ort getätigt werden können und die (eigentlich) wichtigste Einnahmequelle des Rennvereins damit ausfällt. „Der MRV ist ein sehr gesunder Verein, außerdem stehen keine großen Investitionen an.“

Tatsächlich entwickelt sich der Renntag am Ende mit einem Wettumsatz von 263 400 Euro zum wirtschaftlichen Volltreffer. Zum Vergleich: Sonst erzielt der MRV etwa 150 000 Euro. Dass die Rennszene dennoch „sehr nervös“ gewesen sei, liege in der großen Bedeutung der Rennen für die Leistungsnachweise der Pferde begründet. „Die werden in der Regel früh im Jahr erbracht und sind für die Abstammung und die weitere Karriere überaus wichtig.“ Daher sei er den zuständigen Behörden „extrem dankbar für die Genehmigung, freilich unter strengen Auflagen“.

Auch Rennmoderator Thorsten Castle definiert seine Arbeit völlig neu. Weil die Veranstaltung live im Internet übertragen wird, befindet sich Castle permanent auf Sendung. Die vereinseigene Fernsehzentrale koordiniert vor Ort seine Interviews, Schaltungen in die Wettzentrale und die Kommentare von Rennkommentator Nikolaus von Miltitz. „Man muss flexibel sein“, sagt Castle, wischt sich den Schweiß und sucht den nächsten dringend benötigten Gesprächspartner.

Rennen zwei ist gerade vorüber, als Trainerin Jutta Mayer tief durchatmet: „Keine Rennen sind eine Katastrophe“, weil für Trainer und Jockeys die Verdienstmöglichkeiten fehlen. So gesehen hat die Trainerin am Freitag eine Sorge weniger, obwohl der Rennverein die Preisgelder um etwa die Hälfte kürzte. Mit High Flight gelingt Jutta Mayer kurze Zeit später immerhin ein Tagessieg. Die beiden Ausgleich III, die bedeutendsten Rennen des Tages, gehen an den von Marco Klein trainierten Alario sowie Soho aus dem Stall von Sarah Steinberg. CHRISTIAN WANNINGER

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