Proteste gegen Polizeigewalt

Der Sport und die Zivilcourage

von Redaktion

ARMIN GIBIS

Die Bilder aus Minneapolis waren erschütternd und rührten schmerzhaft an allem, was wir mit Menschlichkeit, Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn verbinden. Somit ist es im Grunde unstrittig, ob von Bundesligaspielern gestartete Protestaktionen gegen US-amerikanische Polizeigewalt zu rechtfertigen sind. Natürlich muss es Sportlern erlaubt sein, ihre persönlichen Zeichen zu setzen gegen brutalen Rassismus. Auf derlei eklatante Verstöße gegen die Menschenrechte kann die Antwort nur in solidarischem Handeln, in öffentlicher Anklage bestehen. Von Sportlern wird gerne Mündigkeit eingefordert. Die Fußballprofis Sancho, McKennie, Thuram und Hakimi haben sie am vergangenen Spieltag eindrücklich bewiesen.

Nicht von ungefähr hat sich Alfons Hörmann, als DOSB-Präsident der höchstrangige deutsche Sportfunktionär, sogleich entschlossen an die Seite der Protestierenden gestellt, um Augenmaß bei der Bewertung ihrer Auftritte geworben. DFB-Präsident Fritz Keller zeigte ebenfalls Verständnis für die demonstrativen Gesten – auch wenn auf Unterwäsche angebrachte politische Botschaften laut DFB-Statuten verboten sind. Der Sport ist sich also in diesem Fall einig. Gesunder Menschenverstand hat Vorrang gegenüber Paragraphen. Nur: Sind damit die für Sportler – übrigens auch bei Olympia – geltenden Einschränkungen ihrer Meinungsbekundungen grundsätzlich in Frage gestellt? Sollte es also Sportlern in den Stadien künftig stets gestattet sein, politische Botschaften zu verbreiten? Die Antwort kann hier nur lauten: Nein. Schließlich liegen die Dinge nicht immer so klar wie bei den Geschehnissen um den Tod von George Floyd. Es gibt nur allzu viele Parolen und Sichtweisen, die eben nicht im Einklang stehen mit einer von großen Mehrheiten gestützten moralischen Bewertung. Und wer definiert erlaubten und unerlaubten Protest? Kann der Sport, moralische Instanz sein? Ist die Gefahr nicht allzu groß, politisch instrumentalisiert zu werden? Sehr stark zu bezweifeln ist jedenfalls, dass sich die Bühne des Sports per se dafür eignet, die Probleme unserer Welt zu diskutieren oder gar zu lösen.

Wie gesagt, es muss Ausnahmen geben für Sportler, ihre Berühmtheit für die Demonstration von Zivilcourage und kritischem Denken zu nutzen. Aber der Normalfall sollte es nicht sein.

Armin.Gibis@ovb.net

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