„Es geht um das gesamte System“

von Redaktion

Bayerns Basketball-Geschäftsführer Marko Pesic über das morgen beginnende Finalturnier

München – In den vergangenen Tagen ist auch Marko Pesic auf Abstand gegangen. Man will nichts riskieren, der Geschäftsführer des FC Bayern Basketball gehört als Hausherr natürlich zum elitären Kreis derer, die das morgen beginnende Finalturnier um die deutsche Meisterschaft in der Quarantäne-Station Audi Dome aus nächster Nähe miterleben wollen. Im Interview spricht der 43-Jährige kurz vor dem Start über die Bedeutung des in dieser Form bislang einmaligen Turniers für seinen Verein und die gesamte Sportart.

Zuletzt gab es einiges Aufsehen über ein mögliches Verbot von Protestaktionen der Basketballspieler nach dem Tod von George Floyd in den USA. Haben Sie Ärger für das Final 10 befürchtet?

Nein. Ganz ehrlich, ich bin ein großer Freund der freien Meinungsäußerung. Ich finde es sogar gut, wenn ein Spieler seine Meinung sagt.

Werden Sie das Thema mit der Mannschaft besprechen?

Das weiß ich nicht. Aber eigentlich muss man das gar nicht. Bei unseren Spielern habe ich da überhaupt keine Bedenken. Das ist aber auch wichtig in diesem Verein, der mit seiner Marke für so viel soziales Engagement steht. Ob es die Arbeit mit Behinderten ist oder vor Kurzem die Aktion Rot gegen Rassismus. Auch vor diesem Hintergrund finde ich es gut, wenn ein Spieler etwas sagt. Noch wichtiger ist es allerdings, dass sich die Spieler im Klaren sind, dass sie eine Vorbildfunktion haben und das auch im täglichen Leben vorleben.

Nun aber gibt es eine spezielle Plattform. Der Basketball hat neben dem Fußball jetzt drei Wochen lang eine Alleinstellung.

Ja, klar, daran sieht man, dass wir etwas Besonderes geschafft haben. Das ist eine Riesensache, dass wir es wirklich schaffen, die Saison sportlich zu Ende zu bringen. Das ist ein ganz großer Sieg für den Basketball.

Der schwer erkämpft war. In den Wochen der Corona-Pause hatten Sie nicht zuletzt in Bayreuth und Bamberg starke Gegner.

Ich habe vor Kurzem ein tolles Interview mit dem argentinischen Fußballer Jorge Valdano gelesen. Er sagte, die Deutschen haben es geschafft, in der Krise nicht reflexartige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Und so hat sich das auch in der BBL eingependelt. In einer guten Zusammenarbeit. Ich habe diese reflexartigen Stimmen nicht als Zeichen des Gegenwinds gesehen. Die meisten haben mit Bedacht und Ruhe agiert. Und am Ende war wichtig, dass niemand zu etwas gezwungen wird.

So wie in der dritten Liga der Fußballer, wo sich die Gegner der Fortsetzung den Befürwortern beugen mussten.

Na ja, ich habe nicht den Einblick, wie sich die Etats der Drittligisten zusammensetzen. Aber klar ist: Natürlich geht es auch für uns um Geld. Klar ist: Mit der Ausrichtung des Turniers werden wir kein Geld verdienen. Aber es geht auch um Sponsorengelder, die wir nicht bekommen hätten oder hätten zurückzahlen müssen. Und da geht es nicht nur darum, dass die erste Mannschaft von Bayern München überlebt. Was ist zum Beispiel mit unseren Schul-AGs? Da geht es um ein ganzes System.

Und der Druck dürfte nicht kleiner werden. Wie lange kann das System ohne Zuschauer funktionieren? Gibt es Szenarien?

Szenarienplanung wird wahrscheinlich das Unwort des Jahres. Na ja, wir haben am 10. Juni eine Ligatagung, wo versucht werden soll, ein bisschen die Weichen für die neue Saison zu stellen. Klar ist: Wir müssen solange wie möglich mit Entscheidungen warten und uns dann vielleicht auch ein bisschen daran orientieren, was der Fußball macht. Im Moment haben wir eine Vollbremsung eingelegt. Vieles ist auf Halt, auch Personalplanungen zum Beispiel. Man kann sich das ja ausrechnen: Im Durchschnitt kommen 30 Prozent der Etats aus Ticketeinnahmen. Die ersten Wochen können wir so spielen, dann müssen die Fans aber zurückkommen. Sonst wird es schwer. Oder sagen wir es mal so: Mit jeder Woche, in der sie nicht zurückkommen, wird es schwerer. Und nicht nur für uns.

Wie sehr werden Sie in den nächsten Wochen noch zittern, bis Ende des Monats tatsächlich ein Finale gespielt ist?

Ach, mit dieser Ungewissheit von Tag zu Tag leben wir jetzt doch schon seit acht Wochen. Das Gute ist: Wir haben ein gutes und schlüssiges Konzept, das mit Experten wie Dr. Kainzinger erarbeitet wurde. Da ist die Wahrscheinlichkeit klein, dass etwas passiert. Was natürlich davon abhängt, wie diszipliniert sich jeder Einzelne an die Vorgaben hält. Das ist klar.

Wie realistisch ist es, dass sich 250 Menschen über drei Wochen diszipliniert verhalten?

Ich denke schon, dass man das in dieser Situation erwarten kann. Und diese Vollbesetzung mit 250 Leuten haben wir ja auch nur für einen begrenzten Zeitraum – die zehn, elf Tage, in denen die Vorrunde läuft. Danach fallen schon zwei Mannschaften raus, im Viertelfinale vier. Dann beschränkt sich alles auf einen viel kleineren Kreis, der dann voll im Playoff-Fieber ist.

Ganz nebenbei geht es beim Final-10-Turnier ja auch um einen Titel. Wird der angesichts der Umstände ein bisschen zur Nebensache?

Nein, das glaube ich nicht. Ich bin in meiner Karriere – glaube ich – neunmal Meister geworden. Erst als Spieler und dann hier mit Bayern München. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, in fünf Spielen Meister zu werden und ich weiß auch, wie es sich anfühlt, in fünf Spielen die Meisterschaft zu verlieren. Und wenn man nun sieht, was nötig war, um überhaupt in diese Position zu kommen, dann hätte der Titel für mich einen ganz, ganz großen Wert. Vielleicht den größten überhaupt.

Allerdings werden Ihnen mit Greg Monroe und Nihad Djedovic zwei Eckpfeiler der Mannschaft fehlen.

Ja, momentan ist es natürlich schwer zu sagen, was das bewirkt. Wir haben ja keine Freundschaftsspiele gehabt. Ich könnte mir vorstellen, dass sich unser Spiel verändert. Dass es beweglicher und schneller wird. Denn die großen Leute, die wir dabei haben werden wie Matthias Lessort, sind sicher schneller als Monroe, bei allen offensiven Qualitäten, die Greg natürlich hat. Und dann darf man nicht vergessen, dass wir mit Ismet Akpinar ja einen Spieler dazubekommen haben. Er ist ein harter Arbeiter und Kämpfer – das brauchst du auch, in der Situation dieses Turniers würde dir ein Spieler nicht helfen, der Künstler sein will, Und vor allem ist er einer, der gerade unsere Nationalspieler schon bestens kennt und der sich damit sicher schnell einfinden wird. Ich bin zuversichtlich.

Interview: Patrick Reichelt

Artikel 11 von 11