Immer früher: Weg aus der Bundesliga

von Redaktion

Das Beispiel Timo Werner: Der Wechsel ins Ausland steht nicht mehr am Ende der Karriere

VON GÜNTER KLEIN

München – Timo Werner zieht es also – etwas überraschend – zum FC Chelsea nach London. Dort wird deutsche Wertarbeit offensichtlich geschätzt. Antonio Rüdiger spielt an der Stamford Bridge, auch Andre Schürrle war dort zwei Jahre lang, und natürlich Michael Ballack. Dessen Werdegang ist mit dem von Werner noch am ehesten zu vergleichen – zeigt aber auch auf, was sich in den 14 Jahren die zwischen den Wechseln der beiden Nationalspieler – Ballack vom FC Bayern aus, Werner verlässt RB Leipzig – verändert hat.

Michael Ballack war 27 und der zentrale Spieler im deutschen Fußball. Titelheld auf den Sonderheften zu Turnieren, einziger Deutscher, dem man das Prädikat Weltklasse zugestand. Zwei renommierte „Stern“-Autoren hatten in seinem Sinne eine Hochglanz-Biografie über ihn geschrieben. Bundestrainer Jürgen Klinsmann nannte Ballack den „Capitano“, nur die Liebe des FC Bayern ließ ein wenig nach, als sie merkten, dass sie für ihn nur Durchgangsstation waren. Unter Anleitung seines Beraters, des in Luxemburg ansässigen Rechtsanwalts Michael Becker, hatte Ballack seine Karriere wie am Reißbrett geplant: Profieinstieg beim kleinen Club (Kaiserslautern), Heranführen ans internationale Geschäft in der oberen Mittelklasse (Leverkusen), schließlich der Verein, den man als bester Deutscher gemacht haben muss: die Bayern. Doch es musste danach noch weitergehen: Chelsea war die reizvollste Adresse: Geld ohne Ende dank Investor Roman Abramowitsch, mit Jose Mourinho der interessanteste Trainer. Und ein Team, mit dem man die Champions League gewinnen kann.

Timo Werner hat weniger hinter sich als Ballack. Er ist 24, seine Vereine waren VfB Stuttgart und Leipzig. Einziges Turnier: die WM 2018. Und Chelsea ist der Club, der von den Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League entzaubert wurde. In der Premier League hat Chelsea als Vierter zum Letzten Norwich weniger Abstand als zu Spitzenreiter Liverpool. Der FC Chelsea ist kein „Must“ für einen Spieler.

Doch Timo Werner steht auch für den neuen Ansatz, die Möglichkeiten des Bundesligamarkts nicht komplett durchzuspielen und den Wechsel ins Ausland, der früher eine Karriere abrundete und finanziell vergoldete, vorzuziehen. In den 90er-Jahren bildeten Italien-Legionäre das Grundgerüst der deutschen Nationalmannschaft, nun kommen die Spieler aus England, Spanien, Frankreich. Und sie sind offen dafür, in nicht nur einer ausländischen Liga zu spielen, sondern mehrere zu erleben. Dafür machen sie sich früher denn je auf die Reise. Benjamin Henrichs zum Beispiel. Erstes Länderspiel des Leverkuseners mit 19. Mit 20 Confederations-Cup-Sieger. Mit 21 Fünfjahresvertrag beim AS Monaco. Er wird inzwischen aber schon wieder in der Bundesliga gehandelt. Klar: Wer früh gegangen ist, hat mehr Zeit, um zurückzukehren. Leroy Sané wird diesen Weg wohl gehen: Bundesliga (Schalke) – England (Manchester City) – Bundesliga (FC Bayern). Oder Emre Can: War in jungen Jahren in England (Liverpool) und Italien (Juventus Turin) und ist nun wieder im Lande (Dortmund).

Nur wer bei den international besten Adressen gespielt hat (Real Madrid, Barcelona), ist zu groß geworden für die Bundesliga. Toni Kroos, Sami Khedira, Mesut Özil und Marc-Andre ter Stegen wird man in der Bundesliga nicht mehr sehen. Ein Comeback wäre eine Niederlage. Wie bei Michael Ballack, der ein zweites Mal nach Leverkusen ging. Es war das Ende.

Artikel 11 von 11