So ganz allmählich ahnen wir, dass all die Hoffnungen, Corona werde vieles, allen voran den Fußball grundlegend verändern, enttäuscht werden dürften. Umgehend hat der FC Bayern die Hierarchie in der re-gestarteten Bundesliga derart manifestiert, dass die letzten Spieltage, wie seit acht Jahren gewohnt, statt Spannung ein langweiliges Zu-Ende-Spielen der Saison bringen dürften. Sogar die Löwen bleiben trotz ausgesperrter Fans weiter ungeschlagen, fast stellt sich schon wieder der alte Trott ein, dabei ist Corona doch noch gar nicht überwunden. War was?
Dass noch immer was ist, wird dem bewusst, der sich näher mit dem Amateur- und Jugendfußball beschäftigt. Da weiß eigentlich keiner, wie sich das totale Wirrwarr irgendwann auflösen könnte. Wird ab dem 1. September die ursprünglich ab März geplante Restsaison gespielt und wann beginnt dann die neue? Im Dezember, erst 2021 oder gar nicht? Was passiert bei einer Fortsetzung im Herbst mit den Spielen des Regionalligisten, der zu dem Zeitpunkt schon als Aufsteiger in der 3. Liga mitmischt? Was ist mit Spielern, die im Sommer wechseln wollten? Wann und wie wird der Jugendfußball zurückkommen? Und in welcher Ligen-Zusammensetzung? Steigen die Tabellenführer (zum Zeitpunkt des Abbruchs) auf? Wer steigt ab?
Nur absolute Fußballverächter können diese Fragen als nachrangige Probleme abtun in einer Zeit, da wir uns statt mit Ergebnissen und Tabellen mehr mit exponentieller Ausbreitung, Sieben-Tage-Inzidenz, Reproduktions- und Fallzahlen beschäftigen müssen. Das aber wird, so hoffen wir zumindest, ein vorübergehendes Phänomen bleiben. Während der Fußball bestimmt bald wieder unsere wichtigste (Neben-)Sache werden wird. Sollten wir da nicht diese Phase nutzen, um unseren Kids, wenn sie nach monatelangem Stillsitzen auf den Platz zurückkehren dürfen, einen anderen, einen kindgerechten und damit besseren Fußball zu bieten?
Es gibt ja manche Entwicklungen, die nicht so gut gewesen sind in letzter Zeit. Die Talentförderung in Deutschland wird nicht erst seit der WM 2018 wieder kritischer hinterfragt. Das Problem, dass zu sehr auf Taktik, Kraft und Athletik, weniger auf spielerische Elemente und individuelle Entwicklung geachtet wurde, ist einem viel zu frühen Erfolgsdenken geschuldet. Zwar gab es zuletzt positive Ansätze, zumindest aus dem Kinderfußball diesen viel zu frühen Leistungsdruck zu eliminieren, noch immer aber gibt es Trainer und Eltern, die den Erfolg über alles stellen. Und weil der leichter mit großgewachsenen, körperlich früher entwickelten Kindern zu erreichen ist, fallen noch immer viel zu viele wirkliche Talente durchs Sieb. Das zieht sich dann durch bis in die Nachwuchsleistungszentren und Auswahlteams, wo in erster Linie die gefördert werden, die in den ersten Monaten eines Jahres geboren sind.
Der „Relative Age Effect“ ist längst auch Thema wissenschaftlicher Untersuchungen, Lösungen aber findet man nicht. Wer Ende des Jahres geboren und noch dazu klein ist, hat kaum eine Chance, seinem Talent entsprechend weiterentwickelt zu werden. Wenn er nicht Förderer hat, die das Potenzial eines Jungen sehen, weniger seine momentane Leistungsstärke. Das müsste in der Ausbildung von Jugendtrainern eine viel größere Rolle spielen, Auf- und Abstieg im Ligensystem der Jugend eine eher untergeordnete. Wie aber bringt man das rein in die Köpfe?
Wenn ein Umdenken stattfinden soll, dann wäre doch jetzt ein idealer Zeitpunkt. Ganz oben, bei den Profis, wird sich nach Corona wohl wenig ändern, die finanzstarken Bayern werden die Bundesliga noch mehr dominieren. Irgendwann aber vielleicht wieder mit Spielern, die in einem System groß geworden sind, das ihnen die Freiheit gab, sich mit großem Spaß individuell zu verwirklichen.
Die Talentförderung im Fußball muss sinnvoll weiterentwickelt werden