Mehr Masse, mehr Klasse

von Redaktion

Goretzka ist austrainiert wie nie – und kommt eigenem Anspruch bei Bayern immer näher

VON HANNA RAIF

München – Die Lobeshymne vor acht Tagen kam überraschend. Zur Erinnerung: Beim 5:0 gegen Düsseldorf hatten für Bayern Benjamin Pavard, Robert Lewandowski und Alphonso Davies getroffen, aber Hansi Flick sagte ungefragt nach der Partie: „Wenn ich jemanden herausheben möchte, dann war es Leon Goretzka.“ Als Sechser hatte der Nationalspieler ein starkes Spiel gemacht, „er hat in jeder Sekunde gezeigt, dass wir nichts zulassen“, führte Flick fort. Eine Woche später weiß man: Dieser Goretzka kann noch mehr.

Die Lobeshymne nach dem 4:2 der Bayern in Leverkusen fiel nicht ganz so überraschend aus. Denn Goretzka hatte diesmal nicht nur als Balleroberer, Gestalter und Vorbereiter überzeugt, sondern zusätzlich als Torschütze. „Wir klopfen auf Holz – und hoffen, dass es so weitergeht“, sagte Flick, als er auf den Auftritt des 25-Jährigen angesprochen wurde. Damit meinte er die Leistung seines gesamten Teams, das sich von frühen Rückstand nicht aus der Ruhe hatte bringen lassen. Er hob als maßgeblichen Grund für die schnelle Wende aber Goretzka hervor. der an „Pressing, Ballgewinn und Umschalten maßgeblich beteiligt“ war. Der Treffer zum 2:1 war wichtig, genauso wichtig aber waren „die Akzente, die man braucht, wenn es nicht läuft“. Goretzka habe – „was seine Physis betrifft“ – eine wahnsinnige Präsenz: „Das tut uns gut.“

Das Stichwort „Physis“ hatte der Trainer damit selbst gegeben, es ist aber sowieso allgegenwärtig, wenn man Goretzka derzeit spielen sieht. Wie viele Kilo an Muskelmasse der Ex-Schalker in der Corona-Pause zugelegt habe, wollte er nicht verraten („Es sind schon ein paar“), augenscheinlich aber ist, dass er enorm auftrainiert hat. Aus dem eher schlaksigen Offensivspieler ist ein Mittelfeld-Allrounder mit stattlicher Figur geworden. Der Trainingsplan, so versicherte er, war abgesprochen mit den Verantwortlichen, „man muss auch aufpassen, dass man nicht übertreibt“. Das Ergebnis aber kann sich sehen lassen: „Ich habe nicht an Geschwindigkeit verloren – im Gegenteil. Dementsprechend ist das eine runde Sache.“

Von einem „wichtigen Tor“ sprach Goretzka, das passte sowohl zum Spielverlauf als auch zu seiner eigenen Situation. Es war sein fünftes in der laufenden Saison, und er sagt auch jetzt noch: „Man möchte sich in allen Bereichen steigern.“ Die 90 Minuten in Leverkusen aber bestätigten den Eindruck, dass Goretzka – verletzungsfrei und topfit – seinem eigenen Anspruch im Bayern-Trikot derzeit so nah ist wie selten zuvor. Die Aussagen, die er vor der Corona-Pause nach drei Kurz-Einsätzen in Folge getätigt hatte („darüber werden wir reden müssen“), wirken wie aus einer anderen Zeit. Vier Mal am Stück harmonierten Goretzka und Joshua Kimmich nun prächtig. Wie Flick damit umgeht, dass nun Thiago zurück in die Startelf drängt, wird interessant.

Man sagt dem Bayern-Trainer ja nach, dass er die Elf der Zukunft schon exakt im Kopf hat. Und genau plant, wie er die Spieler, die seine Säulen werden sollen, anpacken muss. In diesem Kontext wirkt auch die Lobeshymne von vor acht Tagen gar nicht mehr so überraschend. Flick weiß, was Goretzka kann: Womöglich noch mehr.

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