Mit der Gunst der Stunde

von Redaktion

Ludwigsburg greift beim Final 10 nach dem BBL-Titel – das ist kein Zufall

VON PATRICK TORRES

München – Im Moment des Glücks haben sich die Profis der Riesen Ludwigsburg dann auch über die strengsten Regeln ein bisschen hinweggesetzt. In der beim Final 10 eigentlich schnell zu räumenden Kabine starteten die Schwaben die erste kleine Party. Man übergoss sich gegenseitig. Auch wenn man es beim Wasser beließ. Für diesmal zumindest. Die Reise ist ja noch nicht beendet, sie haben ja noch Ziele, diese Ludwigsburger. Ab Freitag (20.30 Uhr) greifen sie in den Finalspielen nach der Meisterschaft. Guard Nick Weiler-Babb ist sich sicher: „Wir haben unsere Chance.“

Vielleicht ist es eine einmalige Chance. Denn so schnell wird die Entscheidung in der BBL wohl nicht noch einmal auf die kompakte Turnierform verdichtet, die Außenseitern zwangsläufig bessere Karten eröffnet als das reguläre System mit Hauptrunde und langen Playoffserien.

Wobei man den Ludwigsburgern denkbar unrecht täte, würde man den Erfolg nur auf das ungewöhnliche Format reduzieren. Der US-amerikanische Trainerfuchs John Patrick hat in diesem Jahr eine Mannschaft gezimmert, die auch lange vor Corona mit ihren Mitteln mit den vermeintlich Größeren Schritt halten konnte. Alba Berlin stolperte genauso in Ludwigsburg wie Langzeit-Spitzenreiter FC Bayern.

Diese Mittel sind nicht immer schön. Der Tabellenzweite vor Corona, der nun mindestens auch schon Corona-Zweiter ist, bietet keinen Offensivrausch wie Halbfinalgegner Ulm oder das derzeit alles noch überstrahlende Alba Berlin. Ludwigsburg-Basketball ist Patrick-Basketball, und der ist zunächst einmal auf Zerstören ausgelegt. „Unser Ziel ist es, mit dem Druck den Rhythmus des Gegners zu durchbrechen“, sagt der Mann, der seit 2013 in der Gemeinde vor den Toren von Stuttgart den Ton angibt.

Aber das Faszinierende ist, dass es diesem Trainer auch immer wieder gelingt, Mannschaften zu formen, mit denen seine Idee funktioniert. Das sind keine Starensembles, das geht nicht mit einem Budget von geschätzten fünf Millionen Euro. Statt teuren Nationalspielern wählt der Coach oft deutsche Spieler mit amerikanischen Wurzeln wie derzeit Hans Brase. Und Patrick hat ein bemerkenswertes Auge für die zweite Reihe. Spieler wie Weiler-Babb, Thomas Wimbush und auch Bayern- und Ulm-Schreck Marcos Knight haben es in ihren Karrieren noch auf keine ganz großen Meriten gebracht. Jetzt sind es gerade diese Spieler, die Ludwigsburg auf den historischen Coup hoffen lassen. Und wenn Spieler aus der ersten Reihe fehlen, dann schiebt er eben Jugend nach. In München sorgte vor allem sein Sohn Jacob für besondere Momente.

Heraus kam in diesem Jahr eine besonders funktionierende Einheit. Eine Einheit, die beim Final 10 nicht nur mit der positiven Energie auftritt, wie die lustige Schülergruppe auf Klassenfahrt. Die Ludwigsburger treten auch als eine Mannschaft mit Stehauf-Qualitäten auf. In den beiden Viertelfinals gegen den FC Bayern schienen sie zwischenzeitlich ebenso schon vorentscheidend im Hintertreffen wie auch in den Halbfinals gegen Ulm. In all jenen Partien kamen sie nach dem Wechsel mit umso mehr Wucht zurück. Diesen Charakter wird man nun auch in den Finals ins Rennen werfen. Wenn es gut geht, dann wird der kleinen sicher eine große Party folgen.

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