Bottas’ Triumph, Vettels Debakel

von Redaktion

Der finnische Mercedes-Pilot gewinnt das denkwürdige Saison-Auftaktrennen in Spielberg

Spielberg – Vettel am Boden, Hamilton entgleitet das Podium, Bottas triumphiert im Chaos-Rennen: Für Sebastian Vettel hat die Abschiedstournee bei Ferrari mit einem Debakel begonnen. Beim Triumph von Mercedes-Pilot Valtteri Bottas im wohl ungewöhnlichsten Grand Prix der Formel-1-Geschichte erreichte der viermalige Weltmeister am Ende eines verkorksten Wochenendes in Spielberg nach einer Kollision mit Carlos Sainz, seinem designierten Nachfolger bei Ferrari, nur Rang zehn.

„Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es nur ein Dreher war. Das Auto war ganz schwierig zu fahren. Es war der Wurm drin. Ich hatte unglaubliche Probleme, auf der Strecke zu bleiben“, polterte Vettel bei „Sky“: „Wir waren das ganze Wochenende zu langsam. Ich bin eineinhalb Sekunden langsamer als am Freitag im Training. Das kann nicht ganz stimmen.“

Beim um gut vier Monate verspäteten Saisonstart wegen der Corona-Pandemie fuhr Mercedes mit seinen neuerdings schwarz lackierten Silberpfeilen vor leeren Tribünen lange in einer eigenen Liga, alles sah nach einem Doppelsieg durch Bottas und Weltmeister Lewis Hamilton aus. Doch in einer turbulenten Schlussphase erhielt Hamilton nach einer der zahlreichen Safety-Car-Phasen wegen einer Kollision mit Red-Bull-Pilot Alex Albon (Thailand) eine Fünf-Sekunden-Strafe und wurde am Ende nur Vierter. Vettels Teamkollege Charles Leclerc (Monaco) erbte nach einer glanzlosen Vorstellung Rang zwei, Dritter wurde völlig überraschend der Brite Lando Norris im McLaren.

„Man kann die Saison nicht besser starten“, sagte Bottas. Leclerc hingegen hatte das „nicht erwartet. Das ist eine Überraschung. Klar hatten wir auch etwas Glück: Es gab Crashs, die Strafe gegen Lewis. Wir hatten nicht die Pace, aber der zweite Platz ist sehr zufriedenstellend.“ Norris, mit 20 Jahren drittjüngster Fahrer auf einem Formel-1-Podium, war schlicht „sprachlos. Es ist unglaublich, was wir für einen Schritt nach vorne gemacht haben.“ Norris’ spanischer Teamkollege Carlos Sainz Jr. kam zudem auf Rang fünf. Teamchef Andreas Seidl (Passau) war begeistert: „Einfach super!. Das ist eine Bestätigung, dass wir in die richtige Richtung arbeiten.“

Ferrari ist allerdings trotz des schmeichelhaften Podiums für Leclerc ganz weit weg davon, ein ernsthafter Herausforderer zu sein – und somit vielleicht zu verhindern, dass Hamilton die Marke von Michael Schumacher von sieben WM-Titeln einstellt. Ferraris Gegner beim Großen Preis von Österreich hießen bis zur turbulenten Schlussphase Racing Point, McLaren und Alpha Tauri – willkommen im Mittelfeld.

Unruhe kam in der letzten Stunde vor dem Erlöschen der Startampel auf: Red Bull legte vor dem ersten Geisterrennen der F1-Geschichte erfolgreich Einspruch gegen die Nicht-Bestrafung von Hamilton ein, der Weltmeister wurde nach Ansicht neuer TV-Bilder wegen Missachtens Gelber Flaggen im Qualifying am Samstag von Startplatz zwei auf fünf versetzt. Erster Profiteur war Red-Bull-Star Max Verstappen, der damit direkt hinter Bottas ins erste Saisonrennen ging.

Hamilton hatte seinen „alten“ Platz aber schon in der zwölften von 71 Runden wieder inne. Norris und Albon überholte der Brite, Vorjahressieger Verstappen rollte mit Getriebeproblemen aus.

Vettel mühte sich von Startplatz elf mehr schlecht als recht nach vorne. „Ich erwarte keine Wunder. Aber ich erwarte, dass wir ein paar Plätze gutmachen können“, hatte der Heppenheimer vor dem Rennen gesagt. Letztlich profitierte er von den Ausfällen von Verstappen und Stroll. Von der lange gefürchteten Power des Ferrari auf Hochgeschwindigkeitsstrecken war nichts mehr zu sehen.

Nach dem Ausfall von Haas-Pilot Kevin Magnussen in der 27. Runde rückte erstmals das Safety Car aus – und das Feld zusammen. Vettel wollte vier Runden später mit Gewalt an McLaren-Pilot Sainz vorbei, das ging daneben: Er drehte sich und fiel ans Ende des Feldes zurück.

Doch der Grund für das generell schwache Auftreten der Scuderia ist wohl in erster Linie unter der Motorhaube zu suchen. Nicht nur Ferrari, sondern auch die Kundenteams Haas und Alfa Romeo waren gegenüber dem Vorjahr deutlich langsamer. Seit den Betrugsvorwürfen gegen den Ferrari-Motor im vergangenen Jahr und der geheimen Einigung zwischen dem Team und dem Weltverband FIA im Winter brodelt die Gerüchteküche.  sid

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