Zuschauer in die Stadien?

Mehr Zweifel als Zuversicht

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Der Tod gehört nicht ins Stadion. Wir sind bestürzt, wenn er seinen Platz einfordert. Es gibt reichlich verstörende Geschichten: Der Spieler, der auf dem Rasen umkippt, weil er vielleicht eine angeborene Herzschwäche hatte. Der Zuschauer, der auf seinem Sitzplatz kollabiert und es nicht überlebt – die Fankurven verstummen in solchen Fällen, weil ein Todeskampf nicht verborgen bleibt. Oder: Tod als Folge von Gewalt, auch als Verkettung von Unglücksfaktoren zu einer Katastrophe. Eine der größten war die im Brüsseler Heysel-Stadion 1985: Rund um das Europacup-Endspiel zwischen Turin und Liverpool starben 39 Menschen.

Liverpool traf dieses Jahr in der Champions League auf Atletico Madrid, das war am 11. März, und auch dieses Spiel forderte Opfer. Keine, die an diesem Abend in Leichensäcken abtransportiert wurden. Der Tod kam mit der Verzögerung aus Covid19-Inkubationszeit, Weiter- ansteckung und Krankheitsverlauf. Rechenmodelle besagen, dass 41 Todesfälle in Liverpool auf dieses Spiel zurückzuführen sind. Und auch wenn diese Zahl nicht widerspruchsfrei zu belegen ist, so wird man doch sagen können: Liverpool gegen Atletico vor 52 000 Zuschauern, unter ihnen 3000 aus einem der spanischen Hotspots – es war ein Superspreading-Event. Die Partie hätte nicht in diesem Rahmen über die Bühne gehen dürfen.

Das ist erst vier Monate her, das Coronavirus ist weiter in der Welt, und das sollte man sich vor Augen führen, wenn man die Rückkehr des Fußballs (und weiterer Sportarten) vor möglichst vielen Zuschauern fordert. Eine Arena halb füllen, wie in Leipzig angedacht? Können 20 000 Menschen allzeit zueinander Abstand halten, auch bei der Anreise und in den Sanitäranlagen? Sind sie bereit, die ganze Zeit Mundnasenschutz (korrekt) zu tragen? Wollten und könnten sie sich so sehr beherrschen, dass sie verzichten auf Umarmungen, auf laute Schmäh- oder Begeisterungsrufe, auf den Torschrei, den Gesang?

Funktionieren kann Publikumssport mit Zuschauern in den nächsten Monaten nur mit Disziplin aller. Doch wenn man sieht, wie in der Emotion (siehe Bremen) alles vergessen wird oder immer mehr Leute sich selbst der Maskenpflicht beim Einkaufen widersetzen, besteht mehr Anlass zum Zweifel als zur Zuversicht. Die Krankheit und der Tod geben sich noch nicht geschlagen.

Guenter.Klein@ovb.net

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