Seilschaft fürs Leben

von Redaktion

Die Münchner Manfred und Christa Sturm, 84 und 78, treibt es immer noch in die Kletterhalle

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Das Klettern ist für Manfred Sturm längst kein Hochleistungssport mehr. Eher eine Möglichkeit, um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten. Auch im Alter von 84 Jahren trifft sich Sturm mit „bis zu zwölf alten Haudegen“ immer noch regelmäßig in der Kletteranlage in Thalkirchen: „Der Leistungsgedanke spielt bei meinen Aktivitäten keine Rolle mehr, entscheidend ist die Freude am Tun, an der Bewegung und das anschließende Zusammensein mit Freunden.“ Nach dem Sport sitzt man in Thalkirchen bei einem Bier zusammen und lässt alte Zeiten aufleben.

Als kleiner Junge kletterte Sturm in den Bäumen des Gartens seiner Eltern in Neubiberg. Mit seinem Vater fuhr er häufig zum Klettergarten bei Buchenhain. Ein Ort, der sein „ganzes Bergsteigerleben beeinflussen sollte“.

1959 lernt der diplomierte Wirtschaftsingenieur seine Frau Christa auf einer Faschingsfeier des Deutschen Alpenvereins (DAV) kennen, 1963 heiraten sie. „Mani“ genoss damals bereits einen hervorragenden Ruf in der Bergsteigerszene. Er gehörte der Hochtourengruppe der Sektion Oberland des DAV an, die unter professionellen Bedingungen Bergtouren unternahm. Die Welt der Alpinisten war in dieser Zeit männlich dominiert: „Wenn zwei Frauen damals zum Klettern gegangen sind, hat es geheißen: Da kommen die Lesbischen“, erzählt Christa (78) im Buch „Reife Leistung. Mit Sport dem Alter trotzen. Inspirierende Geschichten von Menschen über 70“ (siehe Kasten).

1968 fand in Engelberg ein Treffen von Alpinistinnen aus zwölf Ländern Europas statt, das Rendez-vous Hautes Montagnes (RHM). Angeführt von der Baronin Felicitas von Reznicek wird der erste weibliche Kletterzirkel gegründet – Christa war bei dem rebellischen Arrangement in den Schweizer Alpen ebenfalls anwesend.

Das Ehepaar Sturm teilt die große Leidenschaft für das Klettern. „Natürlich holpert es auch mal“, sagt Manfred, „aber am Ende des Tages wissen wir immer, dass wir uns brauchen und uns aufeinander verlassen können.“ Doch nicht nur die zwischenmenschlichen, sondern auch die sportlichen Meriten sind beeindruckend.

1962 etwa startete Manfred zusammen mit Toni Kinshofer, Anderl Mannhardt und Siegfried „Sigi“ Löw eine Expedition im Himalaya am Nanga Parbat. Sturm musste auf der Höhe von 7500 m umkehren, den Kameraden gelang die Erstbesteigung des 8125 m hohen Gipfels über die Diamirflanke. Jedoch mit fatalen Folgen: Kinshofer und Mannhardt erfroren bei einem Biwak in Gipfelnähe sämtliche Zehen, Löw verunglückte beim Abstieg tödlich. „Das waren prägende Erlebnisse“, sagt Sturm.

Im Rahmen einer Herrligkoffer-Expedition – Karl Herrligkoffer war ein deutscher Arzt, der zahlreiche Expeditionen zu Achttausendern im Himalaya und Karakorum organisierte – gelang Sturm 1975 zusammen mit seiner Ehefrau, Margret Schnaidt und Thomas Gruhl die Erstbesteigung des Toshe Peak (6450 m): „Dort oben zu stehen und zu wissen, dass hier zuvor noch keiner war, ist ein gewaltiges Gefühl.“ 1980 bezwang „Mani“ zudem in Tibet den Achttausender Shi-sha Pangma.

Höchstleistungen spielen heutzutage keine Rolle mehr, die Sturm und Drang Phase ist bei Manfred Sturm längst vorbei. „Wenn ich mir meine Kletterschuhe anziehe, denke ich manchmal: Hoppla, das hast du auch schon mal eleganter gemacht.“

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