Spielberg – Nach seinem miserablen Saisonauftakt am letzten Wochenende mit verpatzter Qualifikation und einem Dreher im Rennen nach einer Kollision mit seinem Ferrari-Nachfolger Carlos Sainz fährt Sebastian Vettel ab dem nächsten Rennen in Spielberg am Sonntag um seine Zukunft. Die Eckdaten sind dabei klar: Vettel nennt sie: „Ich werde weitermachen, wenn ich noch einen Sinn darin sehe. Dabei geht es weder um Geld noch um Siegchancen. Es geht darum, ein Umfeld zu finden, eine Aufgabe, bei der ich mich wohlfühle.“
Vettel steht noch bis zum Saisonende bei Ferrari unter Vertrag. Nach dem Desaster am Sonntag muss er sich allerdings Gedanken machen, ob die Erfüllung des Vertrages noch Sinn macht. Das Problem: Der Heppenheimer hat das Vertrauen in sein Auto verloren. Vettel sagt: „Am Freitag war alles okay. Ich fühlte mich wohl, ich war schneller als Leclerc. Auch am Samstagmorgen war alles noch im grünen Bereich. Ab dem Qualifying ging nichts mehr. Ich erkannte das Auto nicht mehr wieder. Das setzte sich leider im Rennen fort. Der Dreher war klar mein Fehler, es gibt da auch keine Ausreden. Ich sage nur: Mit dem Auto vom Freitag wäre mir das nicht passiert. Ich muss mich jetzt in die Daten einlesen, um zu verstehen, was passiert ist.“
Geht das zweite Saisonrennen in Spielberg am Sonntag wieder schief, muss man reagieren. Welche Möglichkeiten aber gibt es für den 33-Jährigen, ehrenvoll seinen Vertrag mit Ferrari zu erfüllen, ohne sein Image zu zerstören? Unsere Zeitung weiß: Vettel setzt sich eine Deadline bis zum dritten Rennen in Ungarn. Soll heißen: Danach geht er in sich, analysiert die Situation – und muss dann entscheiden, ob ein Weiterfahren mit Ferrari noch Sinn macht.
Und wenn nicht? Am logischsten wäre – unabhängig von Verträgen – ein Cockpit-Tausch mit Carlos Sainz. Der McLaren-Pilot hat schon einen Vertrag mit Ferrari für 2021 und fuhr beim ersten Rennen in Spielberg solide (er belegte den fünften Platz). Allerdings wurde deutlich, dass der Spanier jetzt schon Ferrari im Kopf hat. Der 25-Jährige fuhr in den Zweikämpfen extrem aggressiv gegen seinen derzeitigen Teamkollegen Landon Norris, ließ aber seinem zukünftigen Teamkollegen Charles Leclerc im direkten Zweikampf erstaunlich viel Platz.
Ein Tausch hätte den Vorteil: Ferrari wäre seinen Rebellen los und hätte schon den Piloten im Team, der in Zukunft für sie fahren wird. McLaren wiederum hätte mit Sebastian Vettel einen Fahrer, der mit dem entsprechenden Wohlfühlfaktor sogar Siege einfahren könnte. Und, was man nicht vergessen darf: Vettel schlug vor zwei Jahren den aktuellen McLaren-Teamchef Andreas Seidl (Passau) als neuen Ferrari-Teamchef vor. Die Italiener lehnten ab. Was man Michael Schumacher damals gewährt hat (er wollte seine Benetton-Wegbegleiter Ross Brawn und Rory Byrne – und bekam sie auch), hat man Vettel verwehrt. RALF BACH