Irrwitz mit dem Papst in der Tasche

von Redaktion

Nürnberg rettet sich in letzter Sekunde – Die Ingolstädter rasen vor Wut

Ingolstadt – Die Tränen von Michael Wiesinger waren bereits getrocknet, seine Stimme aber bebte immer noch, als er sich am Ende eines völlig irrwitzigen Abends auf höhere Kräfte berief. Der 1. FC Nürnberg, sagte der Zwei-Spiele-Trainer nach einer atemraubenden Rettung in letzter Sekunde, könne sich „beim Fußballgott bedanken, dass er uns noch einmal die Hand gereicht hat“. Der „Club“ habe ja schon „im Sarg gelegen“, aber diesmal dann auch „den Papst in der Tasche gehabt“.

Tatsächlich war der neunmalige deutsche Meister im Rückspiel der Relegation beim FC Ingolstadt bereits 30 Minuten lang ein Drittligist gewesen. Das schöne 2:0 aus dem Hinspiel hatte der Bundesliga-Absteiger nach drei Gegentoren in 13 Minuten durch Stefan Kutschke (53.), Tobias Schröck (62.) und Robin Krauße (66.) verspielt – der „Club“ stand da wie ein Depp, wieder mal. Bis in der sechsten Minute der Nachspielzeit „Joker“ Fabian Schleusener den Ball zum 1:3 (0:0) ins Tor grätschte.

Danach brachen alle Dämme. Die Nürnberger rasteten aus vor Glück, die Ingolstädter fühlten sich provoziert, Kutschke drohte Wiesinger Prügel an – statt Fäusten flogen aber immerhin nur hässliche Beleidigungen hin und her. Wiesinger spielte die emotional aufgeladenen Momente nach dem Schlusspfiff, der in den Augen der Gastgeber viel zu spät erfolgt war, allerdings herunter. Er habe „Verständnis“ für die Ingolstädter, es sei doch „logisch, dass die geplättet waren“, sagte er.

Ingolstadt raste vor Wut auf Schiedsrichter Christian Dingert (Lebecksmühle). Der hatte fünf Minuten Nachspielzeit veranlasst – 30 Sekunden nach deren Ablauf traf Schleusener. „Was soll ich da großartig dazu sagen, es ist brutal“, sagte Ingolstadts Trainer Tomas Oral zum späten Tiefschlag. Oral war schon im Vorjahr mit den Schanzern in der Relegation gegen Wehen Wiesbaden unglücklich gescheitert und in die 3. Liga abgestiegen. Am letzten Drittliga-Spieltag beim TSV 1860 waren die Ingolstädter quasi schon Aufsteiger, und wurden von Würzburg dann doch noch in die Relegation gekickt. „Was haben wir nur verbrochen?“, klagte Oral.

Beim „Club“ herrschte dagegen Erleichterung, Verantwortlichen und Spielern standen die Tränen in den Augen. „Es war eine desaströse Saison“, sagte Aufsichtsratschef Thomas Grethlein. „Es gab Morddrohungen gegen uns Spieler, das ist alles nicht spurlos an uns vorbeigegangen“, berichtete Torwart Christian Mathenia. Kapitän Hanno Behrens erinnerte daran, dass „wir diese Saison viel auf die Fresse bekommen haben“.

Die Probleme des FCN sind mit der Rettung freilich nicht verschwunden. Wiesinger mahnte: „Jetzt sollten wir erst mal einen Haken dran machen und das Ganze kritisch und nüchtern analysieren.“ Eine Aufarbeitung der Saison wird auch vom Haupt- und Trikotsponsor des „Club“ eingefordert. „Eine kritische Reflexion des Geschehenen sehen wir als wichtig für eine zukunftsfähige Neuausrichtung des Vereins“, hieß es in einer Stellungnahme der „Nürnberger Versicherung“.

Kritik wird sich vor allem Sportvorstand Robert Palikuca gefallen lassen müssen: Er lag unter anderem mit den Trainern Damir Canadi und Jens Keller daneben und hat wenig Argumente für eine Weiterbeschäftigung. Club-Idol Marek Mintal, Helfer von Wiesinger in der Relegation, könnte Cheftrainer werden, wer auch immer das dann zu entscheiden hat.  sid

Artikel 6 von 11