Spielberg – Steuert die Formel 1 auf einen Riesenskandal zu? Renault hat nach dem Großen Preis der Steiermark offiziell Protest gegen die Autos von Racing Point eingelegt.
Erinnerungen werden wach an die „Spy-Gate“-Affäre. 2007 musste McLaren-Mercedes 100 Millionen Dollar Strafe zahlen, weil ein Mitarbeiter Zeichnungen und Daten des Ferraris von einem Ferrari-Angestellten gekauft hatte. Ähnlich soll es bei Racing Point und Mercedes gewesen sein. Renault glaubt, dass der diesjährige Racing Point, längst als „pinker Mercedes“ im Visier der Konkurrenz, nicht nur eine zufällige Kopie des Weltmeisterautos von 2019 ist, sondern dank Insider-Infos detailliert nachgebaut wurde. Laut Reglement dürfen nur wenige Teile von anderen Teams eingekauft werden. Andere, sogenannte „Listed Parts“, muss man selbst konstruieren. Dazu gehören auch die Bremsbelüftungen – und um genau diese geht es im Protest. Unsere Zeitung erfuhr: Tatsächlich gleichen sich die sogenannten Brake Ducts am Silberpfeil von 2019 und Racing Point von 2020 extrem.
Renault will sich vorerst nicht äußern, meldet nur: „Wir bestätigen, dass wir eine Bitte bei den Sportkommissaren zur Klarstellung der Legalität des Racing Point RP20 eingereicht haben.“ Die Legalität des RP20 wird bereits seit den ersten Metern des Fahrzeugs bei den Wintertests in Barcelona im Februar angezweifelt. Seither versicherte Racing Point stets, man habe das Auto ohne Hilfe des Mercedes-Werksteams entwickelt und gebaut – natürlich aber das Design des erfolgreichen W10 als Vorbild genommen. Die wieder aufkeimenden Vorwürfe wies man zurück: Der Protest gegen den Boliden RP20 beruhe auf falschem Verständnis und sei „schlecht informiert“, teilte das Team am Montag mit. Man habe „vor dem Start der Saison mit der FIA zusammengearbeitet und sich allen Fragen über den Ursprung des Designs des RP20 zur Zufriedenheit gewidmet“.
Die Konkurrenz glaubt das nicht. Schon lange wird vermutet, dass die enge Freundschaft und Geschäftsbeziehung zwischen Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Lawrence Stroll der Grund für die „Ähnlichkeit“ des Mercedes von 2019 und des Racing Point des 2020er-Jahrgangs seien. Brisant: Racing Point testet das Auto nach Informationen unsere Zeitung im selben Windkanal. Mitarbeiter von Mercedes scherzten schon bei den Testfahrten süffisant: „Nicht schlecht, was unser Gebrauchtwagen leisten kann.“ Wie ernst das Thema genommen wird, zeigt eine Aussage von Red-Bull-Teamchef Christian Horner: „Ich denke, jeder sollte sich Sorgen machen wegen Racing Point.“ Sollte die FIA, die den Fall erst behandelt, wenn Beweise in Form von Teilen des aktuellen Racing Point und des vorjährigen Mercedes vorliegen, dem Protest stattgeben, müssen beide Teams mit drastischen Strafen rechnen.
Falls nicht, könnte das auch die Formel-1-Zukunft nachhaltig verändern. „Dann“, so ein Insider, „wird es möglicherweise im nächsten Jahr vier identische Red Bull geben, weil Alpha Tauri die Möglichkeit nutzen kann, das Schwester-Auto zu kopieren“. RALF BACH