München – Rund 520 Millionen Euro haben die 18 Clubs der Bundesliga in der Saison 18/19 mit dem Verkauf von Tickets sowie Speis und Trank im Stadion eingenommen. Kein Wunder also, dass sich der Fan zeitnah wieder im Rund seiner Wahl einfinden soll – bestenfalls bereits zum Bundesligastart am 18. September. Mit diesem Ziel hat der Ligaverband DFL den Clubs der 1. und 2. Bundesliga einen Leitfaden zukommen lassen, der sie bei der „Erarbeitung Standort-individueller Konzepte“ für die Wiederzulassung von Fans unterstützen soll.
Diese soll stufenweise sowie in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden stattfinden und abhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen sein. Heißt konkret: Steigen „das Pandemie-Level“ (hoch, mittel, niedrig) am Vortag des Spiels an, so kann die Zuschauerkapazität unabhängig zu den restlichen Standorten flexibel angepasst werden. Während der Sommerpause sollen die Vereine nun individuelle Konzepte erarbeiten und diese auch dem Bundesministerium für Gesundheit vorlegen, letzte Details sind bei einer außerordentlichen DFL-Mitgliederversammlung zu klären. Auch der FC Bayern ist derzeit in enger Abstimmung. Freilich gibt es Gedankenspiele, aber noch keine konkreten Beschlüsse. Von „ungelegten Eiern“ sprach Jürgen Muth, Geschäftsführer der Allianz Arena München Stadion GmbH, gestern auf Anfrage unserer Zeitung. Man will jedes Detail durchdacht und geklärt haben, ehe man sich äußert.
Es handelt sich um ein Vorhaben, das den Fußballfans in ganz Deutschland ein Lächeln ins Gesicht zaubert, zugleich jedoch die Clubs vor eine enorme Herausforderung stellt. Die Erarbeitung einer neuen Sitzordnung im Block unter Wahrung des Mindestabstandsgebots, der Entwurf sicherer Wege für die An- und Abreise sowie die Frage nach einem möglichen Alkoholverbot im Stadion – all das gilt es nun zu klären, damit der Fan wieder in die Arena kann und sein Geld folgerichtig in die Kasse der Clubs fließt. Wie ein derartiges Konzept in der Heimat des FC Bayern aussehen könnte?
Tribünen: Im Stadion ist es nicht anders als im normalen Leben. Die Wahrung des Mindestabstands sowie das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes sind die obersten Gebote. Heißt konkret: In den Blöcken werden einzelne oder mehrere Sitze frei gelassen – in der Arena sollen sie wohl sogar abgeklebt werden –, um das Infektionsrisiko unter den Fans zu verringern. Ähnlich wie in der Gastronomie dürfen Personen aus gemeinsamen Haushalten wohl zusammensitzen. Im Leitfaden ist von „4er-, 3er- oder 2er-Blöcken“ die Rede, die ausschließlich nur von Personen aus einem Haushalt besetzt werden. Diese sollen zusätzlich geschützt werden, indem die an Treppen angrenzenden Sitz- bzw. Stehplätze frei gelassen werden. Der Bereich für Rollstuhlfahrer unterliegt denselben Sicherheitsvorkehrungen.
VIP- und Hospitality-Bereich: Ein nicht unwichtiger Bereich in der Arena, der im Zuge der Ausarbeitung des Konzepts eines besonderen Vorgehens bedarf. Die Logen befinden sich im Innenbereich, wo das Infektionsrisiko nachweislich höher ist als an der frischen Luft. Die DFL empfiehlt daher, „im Einzelfall die jeweilige Lüftungs- und Klimasituation zu bewerten“. In groben Zügen dürfte sich das Konzept wohl an der geltenden Regelung für die Innenbereiche des Gastronomie-Sektors orientieren, wo es auf „Anzahl und Belegung der zur Verfügung stehenden Tische“ sowie gesonderte Normen für etwaige Buffets zu achten gilt. Mobile Desinfektionsständer sind im gesamten Stadionbereich anzubringen. Hier war die Arena Vorreiter: Kontaktlose „Steripower“-Geräte gab es bereits vor Corona.
Imbissbuden: Ein besonders kritischer Punkt, schließlich sammeln sich hier gerne vor und nach den Spielen sowie speziell in den Halbzeiten geballt hungrige und vor allem durstige Anhänger. Die Allianz Arena ist hier aufgrund ihres bargeldlosen Bezahlsystems ohnehin im Vorteil – um lange Schlangen an den Imbissbuden zu vermeiden, regt der Leitfaden jedoch zudem ein „Angebot von Bestell- und Lieferservice am Platz“ an. Der Fan bestellt (gegebenenfalls über eine App) auf seinem Sitz, verzehrt die gelieferten Speisen und Getränke auch nur dort und kommt somit keinem anderen Fan zu nah. Auch ein Alkoholverbot ist Thema.
An- und Abreise: Das wohl kniffligste Thema überhaupt. Die Frage lautet: Wie bekommen Clubs mehrere tausend Menschen in ein Stadion, ohne dass sich diese bei der An- und Abfahrt zu nahe kommen? Die DFL schreibt diesbezüglich klipp und klar vor: „Sollte die errechnete Kapazität auf den An- und Abreisewegen unterhalb der errechneten Tribünen-Kapazität liegen, muss die Gesamtkapazität dementsprechend reduziert werden.“ Es wird ausdrücklich die Nutzung des PKW empfohlen, als Lösung könnten jedoch auch individuell voneinander getrennte Einlasswege sowie Einlasszeiten dienen. Demnach dürften die Stadionbesucher eines Blocks zwei Stunden, die eines anderen erst eine Stunde vor Anpfiff ins Stadion. Dasselbe gilt nach Abpfiff, weshalb es bei Spielen am Abend auch mal später werden könnte.
Ticketschalter: Bleiben bestenfalls zu. Der Ligaverband empfiehlt den digitalen Ticketverkauf, der neben der Vermeidung unnötiger Schlangen an den Tageskassen einen weiteren Vorteil bietet: Der Käufer hinterlegt seine Daten sowie die seiner Begleitpersonen aus dem eigenen Haushalt und erleichtert dadurch die Verfolgung möglicher Infektionsketten seitens der lokalen Behörden. Doch es gibt ein weiteres Problem: „Viele Clubs werden mit der kalkulierten maximalen Kapazität im Ligabetrieb nicht einmal ihre bestehenden Dauerkartenkunden bedienen können“, weiß die DFL und empfiehlt daher „faire Konzepte zur Ticketvergabe“ und diese „gegenüber den eigenen Fans und Mitgliedern transparent zu kommunizieren“. Falls nötig durch „Auswahl- oder Losverfahren“. Das wird spannend.
Toiletten: Gerade zu den sogenannten „Stoßzeiten“ ein Infektionsherd, den es zu bekämpfen gilt. „Jeder Club hat für seine jeweiligen sanitären Anlagen eine maximale Auslastung zu berechnen und die Belüftungssituation zu bewerten“, schreibt der Leitfaden vor. Einbahnstraßensysteme, weitere mobile Toilettenanlagen auf den Verkehrs- und Umlaufflächen sowie „manuelle oder automatische Personenzählung in Verbindung mit einer Zutrittssteuerung durch den Ordnungsdienst“ können hier Abhilfe schaffen.
Fanshop und Museum: Müssen sich in beiden Fällen an den „geltenden behördlichen Verhaltens- und Hygieneregeln für den Einzelhandel bzw. für Museen“ orientieren. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird bestraft. In schlimmen Fällen sogar mit einem „Hausverbot“, wie die DFL anregt. Das Vereinsmuseum des FC Bayern hat bereits seit dem Re-Start der Bundesliga für den normalen Publikumsverkehr wieder geöffnet, war bisher aber an (Geister-)Spieltagen geschlossen. Aktuell stimmt man sich ab, wie eine Öffnung an Spieltagen unter behördlichen Auflagen aussehen könnte.
So oder so wird der Besuch im Stadion für den Fan unter keinen Umständen total sicher sein. Das ist auch nicht die Absicht des Ligaverbands, wie die DFL selbst auf Seite neun ihres Leitfadens zugibt: „Wie auch im medizinisch-organisatorischen Konzept für den Sonderspielbetrieb 2019/20 kann der Anspruch dieser Standort-bezogenen Konzepte der Clubs nicht sein, einhundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten.“