Bei Lewandowskis wäre man gerne Mäuschen gewesen, als kürzlich die Nachricht durchdrang, dass für das Fußball-Jahr 2020 kein Ballon d’Or vergeben wird. Wir stellen uns vor, dass Herr Lewandowski wütend ein paar Vasen von der Schrankwand schoss (natürlich jeder Versuch ein Treffer) und Frau Lewandowski ihr Karate trainierte und der Wohnzimmertisch nun zwei Wohnzimmertische sind. Der Bayern-Stürmer dürfte sich beste Chancen ausgerechnet haben in einem Jahr, in dem Lionel Messi spanischer Vizemeister wird und Cristiano Ronaldo nur Vizetorschützenkönig im Land, in dem er jetzt spielt (Italien). Es gibt kein Turnier, bei dem er – wie immer mit seiner polnischen Auswahl – enttäuschen könnte, und bislang war auch noch keine Champions League, in der man nach dem Münchner Ausscheiden auf ihn zeigt und sagt: Er ist schuld, weil er nicht liefert, wenn es um was geht. Man schätzt die Bayern in dem, was von der Königsklasse als Corona-Format geblieben ist, ja viel aussichtsreicher ein als in den vorangegangenen Jahren.
Nachdem die französische Zeitung „France Football“ die Absage der Wahl des Weltbesten für 2020 erklärt hatte, gerieten sofort die Verschwörungstheorien in Umlauf. Wenn es weder Lionel Messi noch Cristiano Ronaldo werden können, dann soll es also keiner sein. Gut, 2018 gab es zwar den Ausreißer mit Kroatiens Luka Modric, doch vor allem auf der Bayern-Gemeinde lasten noch schwer die Szenen, wie Franck Ribery im Januar 2014 im Gold-Smoking und mit der Zuversicht des Triple-2013-Gewinners zur Verkündung des Ergebnisses anreiste – und Dritter wurde, weit hinter den Dauersiegern. Wenn man ihm den goldenen Ball nicht geben wollte, dann würde er fortan eben goldene Steaks essen. Die Bayern regten sich damals schwer auf über Nur-Platz-drei für ihren Spieler – sie fanden bloß das EU-Gesetz nicht, in der ein europäisches „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ steht, sonst hätten sie eine Pressekonferenz gegeben.
2020 kein Ballon d’Or – gerechtfertigt? Ernsthaft: Kann man machen, auch die FIFA lässt ihre Parallelwahl „The Best“ (die beiden Auszeichnungen hatte man eh immer verwechselt) sein. Nicht jeder Wettbewerb muss in einem von einer Pandemie überschatteten Jahr gewaltsam durchgezogen werden, in einem Mannschaftssport sind individuelle Auszeichnungen zweitrangig. Klar, manche haben dafür Extraprämien im Vertrag stehen, der persönliche Werbewert steigt – und ein bisschen eitel darf man ja auch sein. Aber das sind Nebenschauplätze.
Lewandowski kann für sein Regal daheim, das sich unter der Last der Bundesliga-Torjägerkanonen biegen dürfte, immer noch den „Goldenen Schuh“ gewinnen. Wegnehmen könnte ihm diesen Preis aber Ciro Immobile, einer seiner gescheiterten Nachfolger in Dortmund, bei Lazio Rom nun überraschend Supertorjäger. Falls dies geschieht, schalten wir noch einmal zu Lewandowskis.
Guenter.Klein@ovb.net