ZWISCHENTÖNE

Das Geschäft mit den Talenten

von Redaktion

Corona bietet die Chance, mit einem alten Vorurteil aufzuräumen: Politiker und Spielerberater haben gar nicht mehr ein ähnlich schlechtes Image. Die Politiker nämlich, allen voran der, der als besorgter Kümmerer mit Hang zu pompösen Inszenierungen Bayerns innigen Wunsch nach einem Sonnenkönig zu befriedigen sucht, haben in der Krise deutlich gewonnen. Und damit die Berater klar abgehängt.

Die dagegen sind eifrig dabei, ihren miesen Ruf zu festigen. Findet zumindest Meikel Schönweitz, ohne die Berater explizit zu nennen. Wäre auch nicht ganz gerecht, den „Schwarzen Peter“ nur ihnen zuzuschieben. Der Cheftrainer der deutschen Nachwuchs-Nationalteams tadelt die gesamte Branche, wenn er kritisiert, es sei ein Geschäftsmodell geworden, möglichst früh junge Spieler zu holen, um am Ende eine größere Marge zu generieren. Klar, so funktioniert die Wirtschaft, nur handelt es sich bei Spielern halt nicht um Aktien oder Wertpapiere, sondern um junge Menschen.

Angesprochen fühlen darf sich von der Kritik durchaus auch der FC Bayern. Die TSG Hoffenheim hat sich erst kürzlich wieder bitter beklagt über die Abwerbung zweier U17-Talente durch den Branchenprimus, ist aber selbst, wie auch andere finanzstarke Klubs, nicht ganz unbeteiligt an diesem, nennen wir es mal ein bisschen überspitzt: menschenverachtenden Geschäftsgebaren. Beim FC Bayern ist man selbstverständlich über jede Kritik erhaben und sogar ziemlich stolz auf sein Handeln, wie Vorstandsboss Rummenigge erst neulich betonte. Indem man den Kader mit den größten Talenten (anderer Clubs), nicht mit teuren Stars verbreitere, grenze man sich ab von so arglistigen Vereinen wie Paris St. Germain oder Manchester City, die das mit dem Financial Fairplay nicht wirklich ernst nehmen.

Inzwischen ist die Kaderbreite der Bayern schon so breit, dass selbst ein Fiete Arp, in Hamburg noch vor gut einem Jahr als Jahrhunderttalent gepriesen, keinen Platz mehr findet im stark erweiterten Profiteam. Man hätte es ahnen können, vielleicht nicht er selbst, aber seine Berater. Die offensichtlich mehr auf den großen Namen und das große Geld gesetzt haben als auf eine kontinuierliche Entwicklung ihres begabten Schützlings. Und für Letzteres ist ein Stammplatz auf der Bank oder in der 3. Liga nicht allzu zielführend. Die Bayern aber holen gerade, was sie nur so kriegen können, bestimmt ist einer dabei wie Davies, der es schaffen kann. Und der Rest?

Es geht um Menschen, um Schicksale, nicht, um mit Schönweitz zu sprechen, um Aktien. Das Beispiel Sinan Kurt, einst von den Bayern aus Gladbach losgeeist, sollte eigentlich Warnung genug sein. Über die zweite Liga in Österreich ging es für ihn in die Vereinslosigkeit, ein früh verlorenes Supertalent. Es wird halt nicht jeder damit fertig, zu jung viel zu viel Geld zu bekommen. Es gibt, weiß Schönweitz, Jungs, die das schaffen, andere aber scheitern daran, weil sie zu früh zu satt sind, sich zu früh ganz oben wähnen. Nicht gerade förderlich für die Persönlichkeit, wie sich jeder vernünftige Mensch ausmalen kann. Wozu eine große Zahl an Spielerberatern offenbar nicht zählt. Und auch Vereine nicht, die nur noch das Big Business sehen.

Tut man beim FC Bayern nicht, zumindest aus der Sicht des Idealisten Rummenigge. Man trage nämlich die drei großen S tief im Herzen: „Solidarisch, solide, seriös“. Es soll Leute geben, die das nicht mehr ganz so sehen. Wobei man den Bayern fairerweise schon zugutehalten muss, dass sie weltweit noch zu den seriösesten Großklubs zählen. In einem allerdings ziemlich unseriösen Geschäft, in dem Berater und Klubs junge Menschen behandeln wie Wertpapiere. Ein paar bringen riesigen Gewinn, der Rest wird als Ausschuss wieder verscherbelt.

Von Reinhard Hübner

Berater und Vereine behandeln junge Fußballer wie Aktien und vergessen den Menschen hinter dem Sportler.

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