Hamiltons kurioser Sieg mit dem „Dreirad“

von Redaktion

Trotz eines Reifenplatzers gewinnt der Brite sein Heimspiel – Vettel abgehängt und frustriert

Silverstone – Der geplatzte Reifen drohte ganz von der Felge zu rutschen, die Funken schlugen schon gefährlich in die Luft – trotzdem steuerte Lewis Hamilton seinen schwer ramponierten Mercedes auf drei Rädern als Sieger über die Ziellinie. „Ich habe so was wie in der letzten Runde noch nie erlebt, mir ist fast das Herz stehen geblieben“, sagte der Mercedes-Star nach seinem kuriosen Heimsieg in Silverstone.

An einem Tag zum Vergessen für Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg machte der Formel-1-Dominator den nächsten Schritt zum siebten WM-Titel. So verrückt wie lange nicht siegte Hamilton vor Max Verstappen im Red Bull und Charles Leclerc im Ferrari. „Ich kann gar nicht sagen, wie ich es geschafft habe, so cool zu bleiben“, sagte der 35-Jährige. Ex-Champion Vettel holte im lahmenden Ferrari als Zehnter noch einen Punkt, während Hülkenbergs Blitz-Rückkehr bei Racing Point kurzfristig platzte.

Geplatzt war auch Hamiltons linker Vorderreifen, und zwar auf der Schlussrunde. Sein nächster Triumph vor leeren Rängen schien ihm noch zu entgleiten. Nur mit ganz viel Feingefühl gelang es ihm, den Wagen auf den letzten Metern zu kontrollieren. „Ich habe gemerkt, dass es echt hart wird“, sagte er: „Zum Glück hat es noch geklappt.“ Teamchef Toto Wolff ergänzte: „Das war am Ende alles sehr dramatisch.“

In der Gesamtwertung baute Weltmeister Hamilton (88 Punkte) seinen Vorsprung nach drei Erfolgen in den ersten vier WM-Läufen auf Teamkollege Valtteri Bottas (58) weiter aus. Mit nun 87 Grand-Prix-Siegen ist Michael Schumachers Bestmarke von 91 greifbar. Der englische Dauersieger lässt keinen Zweifel daran, dass er am Saisonende mit Rekord-Champion Schumacher nach Titelgewinnen gleichziehen will.

In seinem letzten Jahr bei Ferrari hat Vettel schon früh keinerlei Chancen mehr auf seine fünfte Weltmeisterschaft, im trostlosen Mittelfeld verkommt er zum Statisten. „Ich fühle mich überhaupt nicht wohl. Das ganze Wochenende war der Wurm drin. Irgendwas muss sein“, sagte Vettel frustriert. „Es geht ja nicht, dass über Nacht alles rückwärts läuft.“ Ohne Podestplatz ist er mit nur zehn WM-Punkten gerade mal 13. des Klassements.

Eigentlich sah bis kurz vor Schluss alles nach einem ungefährdeten Sieg für Hamilton aus. Valtteri Bottas war auf Rang zwei liegend kurz zuvor ebenfalls der linke Vorderreifen geplatzt, er konnte sich nicht mehr in die Punkte retten. „Insgesamt ist das sehr enttäuschend und sehr unglücklich“, sagte der WM-Zweite aus Finnland.

Als die Ampeln ausgingen und Hamilton den Start gewann, war für Hülkenberg schon alles vorbei. Aus dem Comeback des 32-Jährigen wurde nichts, schuld war eine defekte Antriebseinheit. Racing Point bekam den Wagen nicht flott, der Deutsche musste enttäuscht in der Garage aussteigen. Eigentlich sollte er für den mit Corona infizierten Mexikaner Sergio Perez einspringen. Sollte Perez für Sonntag keine Freigabe durch die Ärzte erhalten, könnte der Rheinländer vielleicht beim zweiten Rennen in Mittelengland dabei sein.

Kommt es dann zur nächsten Machtdemonstration von Hamilton? Derzeit scheint niemand in der Lage zu sein, mit dem Branchenführer mitzuhalten. Einzig Verstappen konnte gestern zeitweise die Verfolgung aufnehmen, kam jedoch nie ernsthaft in Schlagdistanz. Er hätte siegen können, wenn er nicht kurz vor Ende noch zum Reifenwechsel angehalten hätte, um sich die schnellste Rennrunde zu sichern.

Vettels bittere Realität waren Zweikämpfe im Niemandsland gegen Pierre Gasly von Alpha Tauri oder Esteban Ocon im Renault. Eigenwerbung kann der Routinier im unterlegenen Ferrari derzeit nicht betreiben, noch immer steht er ohne Cockpit für 2021 da. „Wir müssen schauen, was wir jetzt besser machen können“, sagte er.  dpa

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