Frankfurt/München – Man stelle sich das vor – mit allen Sinnen: Wie es ausschaute, wie es klänge. Ein Fußballstadion, das bis auf den letzten Platz gefüllt ist und in dem die Menschen jubeln, fluchen, seufzen, anfeuern. Das volle Stadion, das weiß Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), „wäre das ikonische Bild, dass wir die Krise überwunden haben“. Kein Corona mehr, Ende der Pandemie, alle in Sicherheit. Jedoch: Dieses Szenario wird so schnell noch keine Realität sein. „Es wird nicht den einen Lichtschaltereffekt geben, nicht den einen Tag, an dem wir zur Normalität zurückkehren“, so kleidet Seifert es in ein Bild, „wir werden in wohlüberlegten Schritten zurückkommen. In Etappen. Wir müssen erst eine gewisse Trittsicherheit erlangen.“
Die 36 in der DFL organisierten Proficlubs von 1. und 2. Bundesliga haben sich gestern in Frankfurt darauf verständigt, wie es mit Beginn der Saison 2020/21 weitergehen soll. Im Wesentlichen werden die Entscheidungen, wie viele Zuschauer die Stadien betreten und ein Spiel verfolgen dürfen, lokal getroffen. Jeder Club ist angehalten, ein Konzept zu erarbeiten und den zuständigen Behörden vorzulegen. Es bestand jedoch auch der Wunsch nach einheitlichem Vorgehen – und zu diesem hat man sich, „auf freiwilliger Basis“, wie Seifert erklärt – in einigen Punkten (siehe Kasten) durchgerungen.
Der Grundton, den der Profifußball in seinem Dialog mit Politik und Behörden anschlägt, ist wohlvertraut aus den Tagen im April, als er um die Genehmigung des Re-Starts der Saison 19/20 warb: Demut. Seifert: „Wir müssen einem Infektionsgeschehen Rechnung tragen, das nicht zu unterschätzen ist. Niemand fordert, dass er am 18. September vor 20 000 oder 30 000 Zuschauern spielen darf. Solche Zahlen würden befremdlich klingen. Bisher wurden lediglich Stadionkapazitäten errechnet als Konsequenz aus dem mit dem Gesundheitsministerium erstellten Leitfaden vom 15. Juli.“ Die Forderung von Union Berlin, die Bude gleich wieder ganz zu füllen, nachdem man zuvor alle Karteninhaber getestet habe, bezeichnet Seifert als „zu forsch rübergekommen“, ein Modell sei sie jedenfalls nicht. „Unter dem Realitätsverlust, dass wir an einem Wochenende insgesamt 600 000 Zuschauer 24 Stunden vorher testen lassen, leidet keiner.“
Christian Seifert findet, dass der Profifußball, speziell die Spieler, „eine Menge an Vertrauensvorschuss verdient haben“. Die neun Spieltage der alten Saison, die noch ausgestanden hatten, brachte man fast unfallfrei über die Bühne. „Das Konzept war richtig und gut“, sagt Seifert, „wir hatten jedoch auch eine hohe Umsetzungsdisziplin.“ Und bei der soll es bleiben – auch wenn die DFL nun nicht nur neun Spieltage, sondern neun Monate wird managen müssen. So streng wird die Abschottung der Spieler vom Rest der Welt nicht mehr sein können, da wird jeder Einzelne sich beweisen müssen – auch wenn die Vorschriften gemildert werden.
Richtig geärgert hat Seifert sich, als er am Samstag aus Berlin die Bilder aus Berlin sah vom „Tag der Freiheit“ der Corona-Leugner und Verschwörungsphantasten-Veranstaltung in Berlin. Für ihn war das „flächendeckende Missachtung von Hygieneauflagen, die die Zustimmung zu Standards bröckeln lässt.“ Da würden sich die Leute fragen, warum sie „beim Bäcker noch die Maske aufziehen sollen. Ich tu’s trotzdem.“ Auch im Stadion werde die Maske noch länger zum Bild gehören. Und der Abstand.
Der Profifußball hält den Ball also lieber noch ein wenig flach. Christian Seifert wurde gefragt, ob die DFL nicht gar zu defensiv an das Projekt der Wiederöffnung der Stadien herangehe. „Wenn wir ausschließen, mit wenigen Zuschauern zu starten, werden wir nicht so bald mit vielen Zuschauern spielen.“