München – Die Überschrift klang nach nicht allzu fernem Abschied. „Ex-Weltmeister Sagan vor ungewisser Zukunft“, titelte gestern die „Deutsche Presse-Agentur“. Gestützt wurde diese Einschätzung auf ein Interview von Ralph Denk, dem Chef des Bora-hansgrohe-Teams. „Mal schauen, was aus der Personalie Sagan bei uns wird. Er ist einer der teuersten Profis, die es gibt. Wir werden am Jahresende Sagans Leistung bewerten. Und dann werden wir sehen, wie es weitergeht“, wurde er vom „Kölner Stadtanzeiger“ zitiert. Doch der Raublinger korrigierte umgehend alle Spekulationen, die bisher so fruchtbare Zusammenarbeit mit Sagan, seinem prominentesten Angestellten, könnte ein vorzeitiges Ende nehmen. Schließlich sei der 30-Jährige noch bis Ende 2021 an den Rennstall aus Raubling gebunden. „Und wir stehen für die Erfüllung von Verträgen“, sagte er unserer Zeitung. Von einer bevorstehenden Trennung könne also nicht die Rede sein. Wobei Denk nachdrücklich anmerkte: „Wir haben Peter wahnsinnig viel zu verdanken.“
Immerhin gewann Sagan, seit 2017 Frontmann bei Bora-hansgrohe, Grüne Trikots, Tour-Etappen, Klassiker. Dreimal wurde er Weltmeister, einmal (2017) während seiner Zeit bei den Oberbayern. Sagan gab die entscheidenden Impulse zum Aufstieg des von Denk gegründeten Teams in die Weltklasse.
Inzwischen sind die Raublinger auch in der Breite hochkarätig bestückt. Sagan hat sogar intern Konkurrenz bekommen. Mit Pascal Ackermann kann Denk noch einen zweiten sprintstarken Siegfahrer aufbieten. Dass er dem Pfälzer bereits jetzt die Garantie gab für sein Tour-de-France-Debüt 2021, wurde vom manchem Radsportinteressierten als Indiz gewertet, dass Sagan langsam ausgebootet werden könnte. Aber auch hier widerspricht der Bora-Manager energisch. Die beiden, so meint er, könnten auch bei der Tour eine Doppelspitze bilden. Solch ein Teamwork sei schon für den diesjährigen Giro d’Italia vorgesehen gewesen. Doch die Kooperation Sagan/Ackermann musste wegen der Corona-Pause ausfallen.
Denk propagiert auch für die Klassiker eine Abkehr von bisherigen Strategiemustern. „Früher hieß es grundsätzlich: alle für einen.“ Der eine war bei Bora stets Sagan. „Das bedeutete unheimlich viel Druck“, so Denk. Das soll bei den großen Eintagesrennen ab nächste Saison anders werden. In dieser Woche wurde die Verpflichtung des Klassiker-Spezialisten Nils Politt bekannt gegeben. Der Kölner soll künftig zusammen mit Sagan um Klassiker-Ehren kämpfen. „Es ist Teil des modernen Radsport“, so Denk, „dass der Druck auf mehrere Schultern verteilt wird“.
Für die in dreieinhalb Wochen beginnende Tour de France (29. August – 20. September) ist aber die gewohnte Rollenverteilung geplant. Das Bora-Team wird sich ganz auf seinen Kapitän, den Vorjahres-Vierten, Emanuel Buchmann konzentrieren. Der Ravensburger bestreitet kommende Woche bei der Dauphiné Libéré (12. – 16. August) seinen ersten und einzigen Wettkampf vor dem Trip durch Frankreich. Denk glaubt, dass die fünf harten Renntage (u. a. drei Alpen-Etappen) ausreichen, um sich den letzten Schliff zu geben. „Das funktioniert zwar nicht bei jedem“, sagte Denk, „aber Emanuel hat schon bewiesen, dass er sich im Training bestens vorbereiten kann. Für ihn ist es vor allem wichtig, dass er frisch in die Tour kommt.“ Derzeit befindet sich der 27-jährige Schwabe zum Höhentraining in Livigno. Wobei Denk anmerkt, dass bei Buchmann bereits das Höhentraining im Ötztal gut angeschlagen habe. „Er ist topfit.“
In der Favoritenrolle wird aber auch diesmal das illustre Team Ineos sein. Die Briten treten gleich mit drei Kapitänen an. Egan Bernal, Geraint Thomas, Christopher Froome. Alle drei haben schon die Tour gewonnen, Froome sogar vier Mal. Ob es schon für einen Angriff auf Ineos reichen werde? Denk meinte: „Vielleicht noch nicht in diesem Jahr.“ Aber der 46-Jährige fügte auch hinzu: „Ich würde schon gern mal die Tour gewinnen.“