Fußball vorerst ohne Stehplätze

Kränkung der normalen Fans

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Christian Seifert, der Chef der DFL, war früher mal Manager bei Karstadt, und wenn er geblieben wäre, müsste wohl keine Filiale dichtmachen. Seifert rettet – das ist sein Image, seit er die Bundesligasaison 2019/20 unter pandemischen Bedingungen zu Ende gebracht und mit seinem Hygienekonzept dem gesamten Weltsport den Weg gewiesen hat. In „Baywatch“ würde Seifert jeden hilflosen Menschen aus der tosenden Brandung ziehen und den angreifenden Hai zur Aufgabe überreden. Christian Seifert genießt, um es auf den Punkt zu bringen, Vertrauen. Und deshalb sollte man ihm glauben, wenn er versichert, dass im deutschen Profifußball niemand daran denke, Stehplätze und Auswärtsfans abzuschaffen. Dass es beides bis 31. Oktober und 31. Dezember 2020 nicht geben wird, sei den Umständen der ja immer noch herrschenden Corona-Krise geschuldet. Vielleicht wird man im Rückblick sagen, dass Seiferts vorsichtiger Etappenplan zur Füllung der Stadien der richtige gewesen war.

Dennoch ist es nur allzu gut zu verstehen, wenn ein wesentlicher Teil der Zuschauerschaft sich ausgegrenzt fühlen wird. Es wird dem Stehplatzbesucher ja unterstellt, er sei nicht in der Lage oder nicht willens, die Hygieneregeln einzuhalten – und es kommt halt so rüber, als sei der Sitzplatzkunde, der mehr bezahlt, dem Verein der liebere. Zweiklassengesellschaft? Ja.

Sicher haben die aktiven Fans klar zum Ausdruck gebracht, dass das Stadionerlebnis nur ein wahrhaftiges ist, wenn sie ihre Mannschaft als im Wortsinn zu verstehend enge Gemeinschaft unterstützen können – doch in der Krise haben sie sich absolut verantwortungsvoll verhalten. Und hätten es daher verdient gehabt, dass die DFL für sie nicht nur wohlfeile Worte übrig hat, sondern sich mit dem Ansinnen, alle Fan-Gruppen zu berücksichtigen oder keine, tiefer auseinandersetzt. Den Eindruck, ernsthaft nach einer Lösung für den klassischen Block gesucht zu haben, konnte die DFL nicht erwecken.

Man darf davon ausgehen, dass die VIPs die ersten Gäste sein werden, die wieder Einzug halten in die Stadien. Aus wirtschaftlicher Sicht verständlich, aber ebenso eine Kränkung der Normalfans. Der Retter Seifert packt ein bisschen unsensibel zu.

Guenter.Klein@ovb.net

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