München – Das Wichtigste vorab: „Die Verbindung zu München reißt nicht ab“, sagt Lukas Dauser. Man kann ihm das glauben, auch wenn München, oder besser gesagt: Unterhaching, ab sofort einer von drei Standorten sein wird, die im Leben des 27-Jährigen eine wichtige Rolle spielen. Daneben gibt es: Berlin – und Halle an der Saale.
Der Stützpunktwechsel des Top-Athleten wurde vor zwei Wochen durch den Deutschen Turner-Bund (DTB) verkündet, Dauser selbst aber beschäftigt er schon seit mehreren Monaten. „Ein langer Entscheidungsprozess“ hat den WM-Finalisten von 2019 durch die Corona-Krise begleitet, er gibt zu: „Die letzten Wochen waren nicht einfach.“ Ohnehin ist Dauser ja ein Sportler, bei dem viel im Kopf passiert; ein echter Grübler. Jeder nicht perfekte Winkel in seiner Barren-Übung, jedes verlorene Zehntel beschäftigen ihn, so war das schon immer. Deshalb sagt er jetzt: „Mir fällt ein Stein von Herzen.“ Nicht, weil er weg aus Berlin geht. Sondern weil er den Blick nach vorne richten kann. Zu den Olympischen Spielen in Tokio, für die sein Weg eben über Halle führt.
„Ich wünsche mir einen neuen Impuls“, erzählt der Rio-Teilnehmer, und womöglich ist es der letzte große in seiner Karriere. Mit 18 Jahren kehrte er seiner Heimat und dem TSV Unterhaching den Rücken, mehr als acht Jahre lang war er nun in Berlin. In der Hauptstadt wurde er zeitweise zum besten deutschen Mehrkämpfer, reifte zum Weltklasse-Turner mit großen Träumen. Enttäuschungen – ein Kreuzbandriss auf dem Höhepunkt der Karriere, ein bitterer Fehler im Barren-Finale bei der Heim-WM von Stuttgart 2019 – blieben jedoch nicht aus. „In Berlin“, führt Dauser aus, „war die Situation ein wenig verfahren“, neuer Input fehlte, der letzte Schliff für Tokio war nicht in Sicht. Dauser hat lange überlegt und sagt nun selbstbewusst: „Manchmal muss man raus aus der Komfortzone, um noch einen Schritt nach vorne zu kommen.“
Der Umzug nach Halle stand diese Woche an, ab 17. August dann beginnt das Training unter Hubert Brylok. Dauser und der Stützpunkt-Coach kennen sich aus Jugendzeiten, „und wir haben auch jetzt gemerkt, dass wir die gleichen Ansichten über Belastungssteuerung und Wettkampf-Vorbereitung haben“. Was positiv hinzu kommt: dass Dauser gemeinsam mit Nationalmannschafts-Kollege Nick Klessing trainieren wird, dessen Paradegeräte Ringe und Sprung zu den schlechteren des Hachingers gehören. „Er kann mir da noch viel zeigen, ich will meinen Mehrkampf verbessern“, sagt Dauser. Er – mit 1,72 Metern ein vergleichsweise großer Turner – sucht nach einem „neuen technischen Ansatz“. Womöglich sind so bis zu den Spielen 2021 noch ein paar Drehungen und somit Zehntelpunkte rauszuholen.
Perfektionismus gibt es in diesem Sport nicht, das weiß Dauser, das spornt ihn an. Selbst an Tagen, an denen alles zu passen scheint, kann eine Millisekunde eine Übung zum Kippen bringen. Der Absturz vom Barren bei der WM in Stuttgart hängt Dauser noch nach, allerdings längst nicht mehr im negativen Sinne. Gemeinsam mit Mental-Coach Bruno Hambüchen (Fabians Onkel) hat er die Übung, die eigentlich zu einer Medaille hätte führen sollen, genau analysiert. Das Ergebnis: „Ich war einen Tick zu verhalten“, eine Handverletzung im Vorfeld hemmte Dauser im Kopf. Heute sagt er: „Die WM war zum Lernen da. Jetzt trainiere ich für meine nächste Chance.“
Das tägliche Training bestimmt nun Brylok, wer die deutsche Auswahl in Tokio betreut, steht hingegen noch nicht fest. Seit dem Rückzug des langjährigen Bundestrainers Andreas Hirsch ist der DTB in Gesprächen mit Nachfolge-Kandidaten, eine Entscheidung steht aus. Als Athletensprecher wurde auch Dauser gehört – er hatte eine klare Meinung: „Ich fände es cool, wenn jemand Neues kommt. Jemand, der frischen Wind reinbringt.“
Raus aus der Komfortzone sozusagen. Auf allen Ebenen.