Braunschweig – Carl Lewis hier, Carl Lewis da. Malaika Mihambo musste hinterher fast nur Fragen zu ihrem neuen Trainer beantworten. Aber Deutschlands Leichtathletik-Star schlechthin meisterte auch diese womöglich etwas lästige Aufgabe in Braunschweig, wie man es mittlerweile von ihren Auftritten in den Sandgruben dieser Welt gewohnt ist: Selbstbewusst, souverän, bestimmt.
Wegen der Corona-Pandemie sei ihr US-Abenteuer erst einmal auf „unbestimmte Zeit verschoben“, sagte Mihambo also gebetsmühlenartig, nachdem sie bei den deutschen Geistermeisterschaften aus verkürztem Anlauf 6,71 m weit gesegelt war. Die Situation in den USA und Texas, wo sie, sobald es die Lage zulässt, unter Lewis ein noch höheres Level erklimmen will, sei „dramatisch“, die hätten da drüben noch „ganz andere Probleme.“
Corona hat das Leben vieler Athleten gehörig durcheinander gewirbelt – doch das von Mihambo noch einmal besonders. Ihr Traum vom Leben jenseits des Atlantiks und dem Training mit dem neunmaligen Olympiasieger Lewis, das Streben nach „Weiterentwicklung“, sowohl „menschlich“ als auch „als Athletin“, liegt erst einmal auf Eis.
Und wohl keine deutsche Sportlerin hat die Verschiebung der Olympischen Spiele so sehr getroffen wie die 26-Jährige – in ihrer Form hätte sie sich in Tokio eigentlich nur selber schlagen können. Und doch scheint das alles an Mihambo abzuperlen.
Deutschlands Sportlerin des Jahres ruht trotz allem in sich selbst. Aus der Krise nimmt sie sogar etwas mit. „Ich habe viel dazugelernt und bin als Person sehr gereift. Ich habe viele Dinge ausprobiert, wie zum Beispiel verschiedene Schlafrhythmen oder eine komplett vegane Ernährung“, sagte das Golden Girl. Und in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ergänzte sie: „Ich habe sehr viel Bewusstsein gewonnen.“ Daraus ziehe sie „eine Sicherheit, die sehr viel Kraft gibt, gerade in diesem turbulenten Jahr.“
Wie viel Kraft und Klasse Mihambo auch ein Jahr nach ihrem Gold-Sprung von Doha auf 7,30 m weiterhin hat, deutete sie in Braunschweig an. „Mit der Weite bin ich super happy, da ich aus sehr verkürztem Anlauf mit nur 16 Schritten gesprungen bin. Das habe ich noch nie gemacht“, sagte Mihambo. Normalerweise baut sie mit 20 Schritten noch mehr Tempo auf, um den Speed in Weite umzusetzen. Mit 16 Schritten sind 7-Meter-Sprünge selbst für Mihambo schlicht nicht möglich.
„Ich werde dieses Jahr auch den Anlauf nicht mehr verlängern, sondern weiterhin aus 16 Schritten springen“, sagte Mihambo, die in dieser verrückten Saison noch am 13. September beim ISTAF in Berlin im Weitsprung antreten will. „In der Vorbereitung lief es nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich habe mir zudem genügend Zeit genommen, meine Rückenverletzung auszukurieren“, sagte sie.
Neben dem ISTAF sind noch Starts über 100 m am kommenden Sonntag in Leverkusen und in Dessau geplant, ehe die lange Vorbereitung auf Tokio beginnt. sid