Frankfurt/Main – Die befürchtete Botschaft aus Berlin entfachte in der Zentrale der Deutschen Fußball Liga (DFL) nur noch zusätzlichen Ehrgeiz. Na klar, „höchste Priorität“ habe selbstverständlich weiter die „Eindämmung des Coronavirus“, erklärte die DFL gestern. Allerdings sollte es „in allen Lebensbereichen das Ziel sein, eine Rückkehr in Richtung Normalität anzustreben“ – schrittweise und der Lage angemessen.
Und deshalb wird die DFL ihre Bemühungen um die Wiederzulassung von Zuschauern in den Bundesliga-Stadien fortsetzen, Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hofft trotz der vorläufigen Absage der Politik gar weiterhin auf eine zeitnahe Rückkehr der Fans. „Ich kenne das Konzept (der DFL, d. Red.) von A bis Z“, sagte er unbeirrt: „Es gibt schon eine gewisse Chance.“ Am vergangenen Donnerstag hat in der Allianz Arena eine Begehung stattgefunden, auf dem Vorstand Jan-Christian Dreesen dem Gesundheitsamt München ein 50-seitiges Konzept präsentierte.
Am Montag waren die vagen Hoffnungen auf gut besetzte Ränge zum Saisonstart am 18. September aber vorerst auf ein Minimum gesunken. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sowie dessen Kollegen der Bundesländer hatten sich relativ deutlich gegen die Pläne der DFL ausgesprochen und Feinjustierungen gefordert.
Die seien unter anderem nötig, weil „die Risiken bei An- und Abreise zu Spielen ohne Lösungsvorschlag“ blieben, hieß es in einer Mitteilung nach den Beratungen der Gesundheitsministerkonferenz (GMK). Zudem sei es problematisch, dass „die nähere Ausgestaltung vor Ort den jeweiligen Gesundheitsämtern überlassen“ werde, da die ohnehin schon genug zu erledigen haben.
Immerhin: Für die Perfektion ihrer Pläne hat die DFL viel Zeit. Zwar sprach der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder von einer möglichen Ministerpräsidenten-Konferenz Ende August, bei der das Thema Bundesliga und Fans auf der Agenda stehen könnte. Grünes Licht für die Öffnung der Stadiontore wird– wenn überhaupt – aber wohl erst im September oder Oktober erteilt.
„Analog zu den bis Ende Oktober untersagten Großveranstaltungen“ vertritt die GMK gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsminister die Auffassung, „für den möglichen Besuch der Fußballstadien erst im Herbst zu einer erneuten Bewertung kommen zu können“. Dann ist auch besser absehbar, welche Richtung die Corona-Pandemie bei sinkenden Temperaturen einschlagen könnte.
Sollten tatsächlich bis zum 31. Oktober Geisterspiele stattfinden, wären davon nicht nur die ersten sechs Spieltage in der Bundesliga und 2. Liga betroffen. Auch die erste Runde im DFB-Pokal sowie drei Partien der DFB-Auswahl gegen Spanien (3. September), die Türkei (7. Oktober) und die Schweiz (13. Oktober) fänden vor leeren Rängen statt. Außerdem zwei Spieltage der Champions und Europa League.
Umstimmen will die DFL die Politiker keinesfalls. „Priorität haben in Deutschland im Moment nicht volle Stadien, sondern die Gesundheit der Menschen“, hatte DFL-Boss Christian Seifert bereits in der vergangenen Woche gesagt: „Wir werden die Entscheidungen der Politik akzeptieren. Niemand bei der DFL wird eine bestimmte Zuschauerzahl fordern.“
Zumal dies der DFL in Sachen Reputation mehr schaden als nutzen würde, bislang fand die eher zurückhaltende und demütige Taktik großen Anklang. Freiburgs Trainer Christian Streich attestierte der DFL eine „brutal gute Arbeit, die total vernünftig und sensibel“ sei, BVB-Spieler Mats Hummels ergänzte: „So lange es aus gesundheitlichen Gründen nicht geht, geht es nicht.“
Die organisierte Fanszene brachte ebenfalls Verständnis für die Entscheidung auf, man wolle schließlich „keine Sonderrolle für den Fußball beanspruchen“, teilte das Bündnis „Unsere Kurve“ mit und warb bei der DFL um einen intensiven Dialog: „Wir wünschen uns, dass Verbände und Vereine die Zeit nutzen, in den Dialog mit Fan- und Mitgliedervertretungen zu gehen, um Lösungen zu erarbeiten, die von vielen getragen werden können.“ sid/mm