ZWISCHENTÖNE

Die Moral bleibt auf der Strecke

von Redaktion

Warum nur erinnert dieser Typ so sehr an Donald Trump? Das Äußere kann es nicht sein, Trump trägt, ganz im Gegensatz zu Gianni Infantino, dichtes blondes, stylish geföhntes Haupthaar, während sich bei Infantino auch bei bestem Willen nicht erahnen lässt, ob er blond, brünett, dunkel oder immer schon kahl war. Wie er sich aber gegen Kritik, Argumente, Fakten und sogar gegen Ermittlungen zur Wehr setzt, das trägt verdammt ähnliche Züge wie das selbstherrliche Gehabe des US-Präsidenten.

Auch der Boss des mächtigen Welt-Fußballverbands hat ja erst mal richtig aufgeräumt seit seinem Amtsantritt, war auch dringend nötig bei diesem Erbe. Nur dass Infantino gerade dort mit eisernen Besen gekehrt hat, wo es am wenigsten angebracht schien. Im Nachhinein muss man ihm aber eine gewisse Weitsicht attestieren, hätte er damals nicht gleich so aufmüpfige Kerle wie den Schweizer Borbely und den Deutschen Eckert aus der Ethikkommission entfernt, Infantino wäre heute zumindest vorübergehend suspendiert. So nämlich passierte es seinem Vorgänger Blatter, als ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden war.

Infantino aber war, ähnlich wie Trump, klug genug, rechtzeitig die richtigen Leute an die richtigen Stellen zu setzen, treu ergebene Weggefährten, von denen er nichts zu befürchten hat. So überrascht es nicht allzu sehr, dass aus der Züricher Zentrale nun ganz andere Signale gesendet werden als damals bei Blatter. Hinweise auf ein Fehlverhalten lägen keineswegs vor, also auch keinerlei Grund, Infantino zu sperren. Einfach nur rätselhaft, weshalb die Justiz gegen diesen untadeligen Sportsmann ermittle. Liegt bestimmt auch ein bisschen daran, dass der Fußball-Weltverband seinen Sitz in der Schweiz und nicht, sagen wir mal, in Belarus hat.

Dort wären die Justizbehörden bestimmt nicht so pingelig, Infantino wegen dubioser Treffen mit einem inzwischen zurückgetretenen Staatsanwalt der Absprache zu einer Lüge zu bezichtigen.

Erinnert wirklich alles ein klein wenig an Donald Trump. Und der naive Beobachter wundert sich, welch charakterlich und moralisch nicht unbedingt geeignete Personen heutzutage in derart hohe Ämter gelangen.

Ist ja nicht nur der Trump in den USA, auch Johnson in Großbritannien, Bolsonaro in Brasilien, Strache in Österreich, Orban in Umgarn. Und auch der Sport hat ja viele Infantinos. Muss man dafür schon derart skrupellos veranlagt sein oder wird man es, je höher man steigt?

Es hatte ja eigentlich keiner für möglich gehalten, dass nach Sepp Blatters Abgang beim Fußball-Weltverband alles wirklich noch schlimmer kommen könnte. Infantino beweist, es geht.

Aufgefallen ist er bisher jedenfalls vor allem als Autokrat und Spalter, nicht als Mann mit Charisma, der sich ernsthaft für die fundamentalen Belange des Fußballs einsetzt. Gab es wirklich keinen Besseren? Es engagieren sich doch so viele untadelige Sportsmänner ehrenamtlich im Sport, womit sich die Frage auftut, warum offensichtlich, ähnlich der Politik, oft nur die rücksichtslosesten und ungeeignetsten Vertreter der Funktionärszunft ganz nach oben gespült werden.

Könnte es sein, dass, wer wirklich Führungsqualität besitzt, wer moralisch integer, wer charismatisch ist, bessere Möglichkeiten findet, als sich in einem Geschäft zu betätigen, das zumindest dort, wo es um irrwitzig viel Geld geht, durch und durch verdorben ist?

Es gibt und gab schon viele gewissenlose Gesellen in höchsten Ämtern des Sports, auch im deutschen. Doch Gianni Infantino treibt es selbst in dem Vergleich auf die Spitze, so sehr, dass sogar Vorgänger Sepp Blatter die Suspendierung seines Nachfolgers fordert. Ausgerechnet Blatter, der den Verband erst in diesen tiefen Morast geführt hat.

Eigentlich zum Lachen. Würde es nicht zeigen, wie tief der Tiefpunkt schon ist.

Von Reinhard Hübner

Gianni Infantino macht es wie Donald Trump – und zeigt, wie ein Top-Sportfunktionär heutzutage tickt

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