München – Yannic Seidenberg, Frau und Kinder sind unbeschadet durch die bisherige Corona-Krise gekommen, ebenso sein älterer Bruder Dennis, der in New York („Aber nicht Downtown, wo es besonders schlimm war, sondern auf Long Island“) lebt. Den Sommer hat die Pandemie dennoch auf den Kopf gestellt. Normal hätten sich die Seidenbergs nach Amerika zu Dennis begeben, dessen Personal Trainer Yannic auch immer fit machte für die nächste Eishockey-Saison. Doch diesmal: Training im Keller in Yannics Haus in München statt in den USA, alles ohne Mitschwitzer, der Instruktor zugeschaltet per Facetime. Und auch erst nachmittags. An den Vormittagen war Yannic Seidenberg mit dem Homeschooling seiner Kinder beschäftigt.
Er hat zwischen März, als die alte Saison der Deutschen Eishockey Liga (DEL) abrupt und ohne Playoffs endete, und August also anders trainiert. Zunächst mehr Ausdauer, die vergangenen Wochen dann vermehrt „und fast nur noch“ Kraft, sodass Seidenberg, 36, nun wieder den Zuwachs an Muskelmasse spürt. Die Substanz, die er aufgebaut hat, wird er brauchen. Denn wenn das Eishockey in den Spielbetrieb zurückkehrt, wird die Belastung so hoch sein wie nie zuvor. Im Oktober (die ersten) zwei Spiele in der Champions League, von Mitte Oktober bis 1. November voraussichtlich ein Pokal- und Vorbereitungsturnier (Ausrichtungs-Favorit: Düsseldorf), vom 5. bis 8. November der Deutschland Cup der Nationalmannschaft mit drei Spielen in Krefeld. ab 13. November die DEL-Hauptrunde mit 52 Spieltagen, gefolgt von nur leicht verkürzten (Best of Five statt Seven) Playoffs. Zwischendrin immer mal wieder Champions League – und zum Saisonabschluss noch die WM in Lettland und Weißrussland, sie wird bis 6. Juni dauern. Und dann lugt schon 2021/22 um die Ecke – mit Olympischen Spielen plus WM.
„Das wird interessant, wenn der Spielplan rauskommt“, blickt EHC-Kapitän und Nationalspieler Patrick Hager auf Mitte September, da will die DEL die Terminierungen bekannt geben. Aber man kann sich jetzt schon ausrechnen, dass die Spieler ein „Zwei-Tages-Rhythmus“ (Hager) erwartet. Mit den üblichen Freitag-Sonntag-Ansetzungen alleine wird man das Programm nicht bewältigen können. Hager schließt nicht aus, „dass das Niveau der Spiele dann nicht mehr so hoch sein wird“.
Auf der anderen Seite: Gerade die Trainingsgestaltung an Dienstagen ist im Eishockey unbeliebt. Am Tag, der vom kommenden Wochenende am weitesten entfernt ist – und als gelte es, einen Ausgleich für den freien Montag zu schaffen –, langen die Trainer gerne mal hin. Manche Cracks empfinden ein Spiel als weniger strapaziös. Für machbar hält daher Seidenberg das Programm: „In der NHL machen sie es ja auch oft so, dass sie nur spielen – und jetzt hatten wir Zeit, gut zu trainieren.“ In der Saison 2017/18 waren die gefragtesten deutschen Cracks auf rund hundert Spiele gekommen.
Damals stand das Olympia-Turnier im Kalender, 2022 wird es wieder so sein. In Peking – anders als in Pyeongchang – sogar mit den Spielern aus der National Hockey League (NHL), dazu hat sich die Profiliga nun durchgerungen. Obwohl sich dadurch die Chancen für die Deutschen, noch einmal etwas zu gewinnen wie in Südkorea (Silber), verschlechtern, freuen sie sich. Patrick Hager, 31: „Natürlich ist Olympia auch für mich ein Ziel. Für die Topstars von drüben ist es sogar noch wichtiger als für uns in Europa, dass sie um Gold kämpfen können – und für uns ist es interessant, gegen sie zu spielen.“
Seidenberg, wie Hager dem Silber-Team von 2018 angehörig, sagt: „Klar will ich in Peking dabei sein, das ist ja schon in eineinhalb Jahren. Es wäre ein schöner Abschied von der Nationalmannschaft. Oder ich höre nach der WM 2022 auf. Oder vielleicht spiele ich noch weiter …“