So schnell kann’s gehen. Knapp 60 Minuten lang hat sich Atalanta Bergamo am Mittwoch sensationell im Halbfinale der Champions League gewähnt. Und dann passierte das, was vor allem die Befürworter des diesjährigen Modus erfreute: ein K.o. in letzter Sekunde. So gemein kann der Fußball – und PSG – sein.
Die verbliebenen Viertelfinalisten haben genau hingeschaut, denn wie Bergamo kann es ihnen in den jeweils ein bis maximal drei Partien von Lissabon ja auch ergehen. Hopp-oder-Top-Spiele sind nicht planbar. Sie haben auf dem Papier einen Favoriten, der aber muss deutlich mehr können, als sportlich überlegen zu sein. Er braucht gute Nerven, Durchhaltevermögen und womöglich sogar Stehauf-Qualitäten. Alles abzurufen in dem Moment, in dem es zählt. Heißt für den FC Bayern: An diesem Freitag ab 21 Uhr, wenn der FC Barcelona wartet.
Chelsea war ein Vorspiel, die heiße Phase der Saison beginnt – mit sehr viel Verspätung – jetzt. Die Bayern starten als großer Favorit in diese Runde der letzten Acht, man traut ihnen zu, in diesen neun verbleibenden Tagen der Mammut-Saison Geschichte zu schreiben. Sie können binnen kürzester Zeit viel gewinnen. Die Vergangenheit lehrt aber (leider), dass man in ein, zwei Spielen genauso viel verlieren kann. Ein Double und der Viertelfinal-Einzug in der Champions League? Das ist sehr gut, aber eben nicht überragend. Eine Bilanz, die vor Hansi Flick viele andere Trainer geschafft haben.
Es kommt freilich nicht von ungefähr, dass an ein Aus in Bayern-Kreisen niemand denkt. Schon oft, vor allem in jenen Zeiten, in denen die einstigen Führungsspieler (Lahm, Schweinsteiger) und Stars (Robben, Ribery) immer älter wurden, sagte man vor der K.o.-Runde: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Die Zeit war mehrfach „reif“, und trotzdem blieb diese eindrucksvolle Generation lange Henkelpott-los. Gekrönt haben sie sich erst im dritten Final-Anlauf. Das soll bei der neuen Generation um Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Leon Goretzka und Niklas Süle anders sein. Für sie steht nun die Reifeprüfung an. Sie wollen – und können – sich schon heuer belohnen.
Flick hat die Bayern zu einem perfekten Zeitpunkt übernommen. Er hat diese hungrigen Spieler im besten Alter, dazu junge Wilde und erfahrene Recken. Die Mischung ist vielversprechend. Und sollte es eng werden, macht man’s halt wie Paris – und nicht wie Bergamo.
Hanna.Raif@ovb.net