Bayern nach dem 8:2

Wenn Barca zum HSV wird …

von Redaktion

HANNA RAIF

Vielleicht kann man vom Hamburger SV nicht allzu viel lernen, aber immerhin in diesem einen Punkt hat der Club mehr Erfahrung als jeder andere auf dieser Welt. In den letzten drei Partien nämlich, in denen der FC Bayern acht oder mehr Tore schoss, standen die Hanseaten auf der Gegenseite. 9:2 im März 2013, 8:0 im Februar 2015, 8:0 im Februar 2017. Weh tat es jedes Mal, richtig sogar. Für den HSV war das Gastspiel in München stets ein Einschnitt, für die Bayern: eine Episode. Schnell abgehakt.

Es würde nicht unbedingt zum einst großen FC Barcelona passen, Trost bei einem deutschen Zweitligisten zu suchen. Aber ohnehin ist ja das, was da am Freitagabend in Lissabon passiert ist, ein wenig anders einzuordnen als die traditionellen Kanter-Siege im „Nord-Süd-Gipfel“. Lediglich eine Parallele ist zu erkennen: die Reaktion der Bayern. Jubel auf dem Platz, Freude in der Kabine – von Euphorie aber keine Spur. Als wäre Barca der HSV.

Man darf die gedämpften Worte und Taten aus Bayern-Reihen nicht falsch interpretieren: Freilich wissen auch die Protagonisten dieser magischen Nacht, dass sie Historisches geleistet haben. Sie wissen aber auch, dass sie nicht nach Lissabon gereist sind, um ein Viertelfinale zu gewinnen. Der „Wahnsinn“ kam früh, und trotzdem sind die Bayern seit Freitag nicht nur aufgrund ihrer fußballerisch perfekten Darbietung endgültig der Top-Favorit auf den Henkelpott. Sondern, weil sie das eigentlich Unfassbare richtig einordnen.

Weiter, immer weiter – das klingt mit Bezug auf den FC Bayern abgedroschen, ist aber genau das Credo, das die großen Bayern-Mannschaften stark gemacht hat. Historische Erfolge standen stets am Ende jener Spielzeiten, in denen der Teamgeist so stark war, dass äußere Einflüsse abprallten. Eine verschworene Einheit wie aktuell unter Hansi Flick hat man dennoch lange nicht erlebt, dieser Mann scheint tatsächlich alles richtig zu machen. Jeder geht nun vom Titel aus. Aber 180 Minuten müssen schon noch gespielt werden.

Die Bayern können sich jetzt auch abseits sportlicher Gesichtspunkte glücklich schätzen, Typen wie Manuel Neuer, Jerome Boateng, Thomas Müller und Flick in ihren Reihen zu haben. Immerhin dieses Quartett kennt Demütigungen ja nicht nur gegen den HSV. Sie alle waren beim 7:1 im WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien dabei. Und wissen: Das Endspiel danach war ein Kraftakt.

Hanna.Raif@ovb.net

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