Der Uli Hoeneß von Lyon

von Redaktion

Jean-Michel Aulas ist der Patriarch von Olympique – und immer zur Attacke bereit

VON ALEXIS MENUGE

Lissabon – Olympique Lyon ist der Halbfinal-Gegner des FC Bayern beim Champions-League-Turnier in Lissabon. Mit den Franzosen bekommen es die Münchner alle paar Jahre zu tun – was dazu führt, dass ihnen ein Akteur ganz gut bekannt ist: Jean-Michel Aulas, der Macher des Clubs. Ein Mann der klaren Ansprache – der bisweilen übers Ziel hinausschießt. Beispiele gibt es genügend.

Wenige Minuten nach dem Aus seines Olympique Lyon im Champions-League-Halbfinale 2010 gegen den FC Bayern (0:3) im Stade Gerland wurde der Kopf von Jean-Michel Aulas plötzlich rot. Wie sonst nur bei Uli Hoeneß. „Ich finde es merkwürdig, dass die Münchner, insbesondere Ivica Olic, in der Lage sind, so viele Kilometer rauf und runter zu spulen, ohne davon müde zu werden. Ich würde ihn gerne mal an einem Tag mit einer Doping-Kontrolle sehen“, schimpfte der Präsident des siebenfachen französischen Meisters (in Folge von 2002 bis 2008).

Keine sechs Monate später geht Olympique Lyon erneut bei einem Bundesligisten 0:3 unter, diesmal bei Schalke 04 in der Gruppenphase der Königsklasse. Erneut gibt es Doping-Vorwürfe vom Lyon-Boss: „Ich weiß nicht, welche Vorbereitung sie gehabt haben, aber ihre physische Qualität war beeindruckend. Sie waren uns dermaßen überlegen, dass es schon ein bisschen zu viel war.“

Als Giovane Elber 2003 nach der Verpflichtung von Roy Makaay nach Lyon flüchtete, bekam er mehrfach Ärger mit Aulas. Der Brasilianer hatte sich über mangelnde Professionalität der medizinischen Abteilung beschwert. „Wir stecken in dieser schweren sportlichen Lage, weil Giovane an allem schuld ist. Mit Abstand hat er das höchste Einkommen im Verein – und er hat uns nichts zurück gegeben. Mit ihm gibt es immer Probleme. Seine Aussagen über unsere medizinische Abteilung sind diffamierend. Er ist eine riesige menschliche Enttäuschung.“

Auch mit einem seiner Trainer landete er vor Gericht. Claude Puel war entlassen worden, weil er eine Mail seines Vorgesetzten nicht beantwortet hatte.

Als die französische Liga bereits Ende April wegen der Pandemie definitiv unterbrochen wurde, platzte ihm der Kragen. Der Grund: Mit dem siebten Platz konnte sich Olympique Lyon zum ersten Mal seit 1997 nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren.

Wie Hoeneß bei den Bayern ist Jean-Michel Aulas der Patriarch seines Vereins. Ohne seine Leidenschaft und die Liebe zu seinem Club hätte dieser heute kein modernes Stadion, kein Top-Trainingsgelände und würde nicht so oft in den europäischen Wettbewerben mitspielen.

Die einzige Chance, ab Oktober in der Saison 2020/21 doch noch dabei zu sein: die Champions League zu gewinnen. Es wäre für Aulas die Krönung.

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