Deutsches Trainer-Wunder

Ein anderer Beruf als Spieler

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Das Halbfinale in der Champions League: Vier Teams, drei deutsche Trainer. Und der Deutscher-Trainer-Superstar, Jürgen Klopp, gar nicht dabei, weil Liverpool zur Unzeit ein wenig unpässlich war. Aber hallo: Deutsche Fußballlehre „on top“. Alle sind gerade überrascht.

Es ist ja nicht so, dass der deutsche Fußballtrainer bislang kein Exportschlager gewesen wäre. Immer wieder nimmt man vertraute Köpfe wahr in China, Afrika, Australien. Des Fußball-Lehrenden Wanderlust wird seit den Zeiten des Nationaltrainerposten-Sammlers Rudi Gutendorf bisweilen sogar mit Zuschüssen aus Entwicklungshilfe-Töpfen gefördert oder geschah – wie bei Dettmar Cramer selig – auf Bitten der FIFA. Doch man muss auch so ehrlich sein, zu sagen: Für die meisten Trainer war der Job irgendwo im Nirgendwo eine Notlösung, weil es im großen Fußball keinen Platz mehr für sie gab. Auch wenn das despektierlich klingen mag: So wie ein Mercedes mit einer Million Kilometern noch in einem fernen Land ohne TÜV weiter vor sich hin tuckert, tauchten frühere Bundesliga-Coaches in Wüsten und auf Inseln auf. Vielleicht wurde dadurch das Bild verstärkt, dass es hierzulande an Trainertalenten mangelt.

Das stellt sich nun anders dar. Klopp – längst ein Welttrainer mit seiner perfektionierten Art des Menschenfängertums. Thomas Tuchel, mit Paris Saint Germain im Halbfinale der Champions League – kontroverser, aber interessanter Typ. Julian Nagelsmann (Leipzig) ist so jung und von einem Scheitern unbefleckt, dass er eine heiße Aktie ist, wie es Jose Mourinho und Andre Villas- Boas zu Beginn ihrer Trainerkarrieren waren. Lediglich Hans-Dieter Flick überrascht in dieser Reihe, weil er eben lange als Hansi und netter Sidekick von Jogi (Löw) wahrgenommen wurde.

Was an den herausragenden deutschen Trainern auffällt: Alle kommen sie aus einem Ausbildungssystem, das die, die als aktive Kicker die prominenten Namen hatten, anzweifeln. Flick war als langjähriger Bundesligaspieler nahe dran an der Spitze, doch stieg als Trainer in Amateurniederungen ein. Klopp war ein Zweitligagrätscher, Tuchel und Nagelsmann wurden auch wegen Verletzungen keine Größen auf dem Feld. Ihre Wurzeln liegen in der Arbeit mit Jugendteams.

Ganz sicher war es so, dass sie alle verstanden, dass Trainer zu sein nicht die Verlängerung einer Spielerlaufbahn ist. Es wird ja immer wieder mal diskutiert (unter anderem angestoßen von Mehmet Scholl), ob ein Coach, der nie die extremen Situationen als Spieler erlebt hat, seine Schützlinge inspirieren kann oder er als Technokrat und Quasi-Theoretiker scheitern wird. In den DFB-Lehrgängen schmunzeln die Alt-Internationalen über die Freaks. Aber das kann man wohl feststellen: Der DFB hat ermutigt, Trainer zu sein. Drei deutsche im Champions-League-Halbfinale – kein Zufall.

Guenter.Klein@ovb.net

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