München – Dem 1:0 im Hinspiel ließen die Bayern im Champions-League-Halbfinale 2010 ein 3:0 in Lyon folgen – Mann des Spiels war Ivica Olic. Alle drei Treffer gingen auf das Konto des heute 40 Jahre alten Kroaten, der den Traum vom Finale wahr werden ließ. Im Interview erinnert er sich – und blickt natürlich auch voraus.
Herr Olic, Sie sprachen nach 2010 in Lyon vom „schönsten Tag meines Lebens“. Ist er das bis heute?
Definitiv! Wenn man im Fußball so etwas erlebt, auf diesem Niveau, der Crème de la Crème, dann ist das einmalig. An diesem Abend ist alles perfekt gelaufen – für die Mannschaft und für mich. Aus drei Schüssen habe ich drei Tore gemacht. Den Ball habe ich natürlich behalten, er ist bei uns zuhause gut aufbewahrt. Ich schaue ihn mir immer wieder gerne an.
Welches war denn das schönste Tor?
Es waren drei vollkommen unterschiedliche Tore, aber das erste war natürlich das wichtigste. Mit dem Rücken vor dem Tor, mit dem schwächeren Fuß aus der Drehung geschossen. Aber Thomas (Müller/d.Red.) hatte mir das super vorbereitet. Ich hatte danach noch mehr Selbstvertrauen. Das zweite Tor hat Hamit Altintop schön vorgelegt, ich habe die lange Ecke getroffen. Die dritte Flanke kam von Philipp (Lahm/d.Red.) – und seine Flanken kamen ja immer gut. Direkt auf meinen Kopf.
Und das, obwohl Sie kurz zuvor am Kopf getroffen wurden und bluteten.
Genau. Ich habe einen Ellenbogen an den Kopf bekommen. An diesem Abend aber habe ich keinen Schmerz mehr gespürt (lacht).
Für jedes Ihrer Kinder haben Sie ein Tor gemacht.
Das stimmt. Aber die Kinder waren so klein, dass sie nur die erste Halbzeit schauen durften. Bis heute sind sie sauer, dass sie zwei Tore verpasst haben. Ich kann Ihnen aber versichern: Wir haben die zweite Halbzeit von Lyon noch oft gemeinsam angeschaut. Als ganze Familie.
Zehn Jahre später steht das Duell nun wieder an.
Die Geschichte wiederholt sich – aber mit anderen Vorzeichen, mit anderem System. Dass in einem Spiel alles passieren kann, haben wir bei Lyon gegen ManCity gesehen. Jeder – ob Experte, Trainer, Fan oder auch ich – hat gesagt: City macht das Rennen. Trotzdem muss ich sagen, dass Lyon für mich absolut verdient im Halbfinale steht. Die haben schon was drauf!
Bayern muss aufpassen?
Puh, das kann man nach so einem Spiel wie dem 8:2 gegen Barca schwer sagen. Aber man muss es sagen! Obwohl Bayern derzeit einfach super ausschaut. Bayern ist zusammengewachsen, nicht nur elf Mann, sondern zwölf, 13, 14, 15… Sie haben eine Breite wie selten – das ist der Unterschied zu allen anderen. Wenn ein Messi nicht auf Top-Level ist, geht bei Barcelona wenig. Das ist bei Bayern anders! Alles spricht für sie. Sie überragen gerade alles. Ich erwarte sie im Finale.
Müller stand 2010 am Anfang, so wie Kimmich und Gnabry jetzt. Ist das Team aber weiter als Ihres vor zehn Jahren, das im Finale dann verloren hat?
Die Mannschaft ist nach einer turbulenten Saison sehr, sehr schnell wieder gewachsen. Man muss da wirklich viel Lob und Respekt an Hansi Flick und sein Team aussprechen. Das war nicht einfach! Wenn man alleine mal Spieler wie Philippe Coutinho oder Ivan Perisic anschaut, die für diese Mannschaft in ihren womöglich letzten Spielen für den Club alles geben, dann spricht das Bände. Schauen Sie sich diese Charakterstärke an, bis zum letzten Spiel! Das macht eine große Mannschaft aus.
Träumt man berechtigt von einer Ära?
Die Mannschaft hat das Niveau dazu. Trotzdem wird es auch für sie irgendwann eine schwerere Phase geben, aus der man dann rauskommen muss. Die Verpflichtung von Leroy Sané zeigt aber alleine, dass man an die Zukunft denkt, die Verantwortlichen machen ihren Job sehr gut. Ich habe keine Sorgen um den FC Bayern in den nächsten Jahren. Ich hoffe, wir können lange viel Spaß mit diesem Team haben.
Die Mischung stimmt derzeit einfach, oder?
So kann man es sagen. Aber wenn ich einen Spieler hervorheben müsste, dann wäre das Alphonso Davies. Für sein Alter in meinen Augen schon ein herausragender Linksverteidiger. Er hat nicht mal Angst vor Messi, kennt keine Nervosität. Wahnsinn!
Was sagen Sie zum Auftritt von Perisic?
Er spielt die wichtige Rolle, die ich ihm immer zugetraut habe. Für unsere Nationalmannschaft ist das auch gut, dass er in Top-Form ist. Ich wünsche ihm diesen Titel!
Bayern sollte ihn eigentlich halten, oder?
Ivan hätte es verdient. Er hat schon im Pokalfinale und gegen Chelsea gezeigt, dass er trotz schwerer Verletzung wieder da ist. Er kann der Mannschaft helfen, immer.
Und womöglich legt er Lewandowski nun drei Tore gegen Lyon auf…
Das wäre natürlich wunderbar! Aber ich wäre auch mit einem Tor zufrieden. Hauptsache: Finale!
Interview: Hanna Raif