München – Der Start: Alle eng aneinander stehend, es riecht nach Muskelöl, man erzählt sich Geschichten, wie mies die Vorbereitung war und was alles wehtut. Die letzten zehn Sekunden bis zum Schuss, der einen auf die Strecke schickt, zählt man runter. Alles Rituale. So beginnt eigentlich jeder Marathonlauf. Ein Pulk von Menschen setzt sich in Bewegung.
So war es, bis Covid-19 kam. Fast alle großen Laufveranstaltungen sind 2020 abgesagt worden, zuletzt erklärten Paris, Frankfurt und München, dass ihr Marathon in diesem Jahr nicht wird stattfinden können; lediglich London steht noch im Kalender, allerdings nicht mit einem Volks-, sondern einem reinen Eliterennen. „Die Laufszene wird sich ändern“, glaubt Gernot Weigl, seit zwei Jahrzehnten Organisator des Marathons in München. Seine Erwartung: „Es wird nicht mehr diese Massenstarts geben und nicht mehr diese hohen Gesamtteilnehmerzahlen.“ Es sei ja nicht so, dass am 1. Januar eine „neue Zeitepoche“ beginne und die Pandemie vorüber sei. Corona interessiert sich nicht für Silvester und Neujahr und hat auch keine guten Vorsätze.
Weigl und sein Organisationsteam haben für 2020 ein Hygienekonzept vorgelegt, das sie für 2021 in Teilen übernehmen und verfeinern werden. Im Münchner Modell würde der Start entzerrt, über eine Ampelregelung würden die Läufer einzeln auf die (42 Kilometer lange) Strecke gehen. So sollte das dieses Jahr am 11. Oktober über einen auf 30 Kilometer verkürzten Kurs auch schon sein, doch die Genehmigung blieb aus. „Das Konzept wurde vom Kreisverwaltungsreferat und der Abteilung Sport im Bayerischen Innenministerium für gut befunden“, so Gernot Weigl, doch Bedenken habe das Referat für Gesundheit und Umwelt gehabt wegen möglicher Zuschaueransammlungen, etwa an Ludwig- und Leopoldstraße. Weigl: „Diese Versammlungen müssten wir auflösen, wir sind aber eine friedliche Veranstaltung. Den sportlichen Bereich hätten wir im Griff gehabt.“ Er wollte den Lauf „nicht mit aller Gewalt durchdrücken. Als größte Marathon-Veranstaltung in Süddeutschland wollten wir jedoch einen Akzent setzen.“
Der 10. Oktober 2021 ist nun das nächste Datum für einen Marathon in München. An den Plänen, durch die Verpflichtung von Läufern aus den Top 300 der Weltrangliste das Bronze Label des Leichtathletik-Weltverbandes zu erwerben, hält Weigl fest. Er überlegt auch, die 30 Kilometer neben Halbmarathon und Marathon ins Programm aufzunehmen, nach seinen Plänen „Amoi anders: 30 km“ hatte er 400 Anmeldungen an ein, zwei Tagen. Verhandeln muss Weigl mit Stadt und Behörden, denn wenn sich die Startzeit künftig über drei Stunden hinzieht, „brauchen wir den öffentlichen Verkehrsgrund länger“.
2020 war für die Laufszene ein merkwürdiges Jahr. Viele entdeckten, als das öffentliche Leben heruntergefahren war, das Laufen, es wurde gejoggt wie wohl noch nie. „Doch wir spüren auch Verunsicherung, ob man an Wettkämpfen teilnehmen soll“, sagt Weigl. Er hätte im Oktober auch die Deutschen Sparkassen-Meisterschaften organisieren sollen, doch die wurden ebenfalls abgesagt, „weil verschiedene Banken ihren Mitarbeitern davon abgeraten haben, an Großveranstaltungen teilzunehmen.“ Interessant sein wird für Weigl, was 2020 bis auf vereinzelte Landschaftsläufe mit wenigen Startern überhaupt noch stattfinden wird. Silvesterläufe? „Fast jede Stadt hat einen, da bin ich auch neugierig. Es wird immer die Frage sein, wie es mit den Fallzahlen aussieht. Bei uns ist die Sache mit den Erntehelfern in Mamming reingefallen“ – kein Zusammenhang mit München, doch sie habe das Stimmungsbild beeinflusst.
Laufen kann man eventuell am 24. und 25. Oktober auf Herrenchiemsee. Auf dieses Wochenende hat Weigl seine beiden Halbmarathons (man kann sich einen aussuchen oder am Samstag und Sonntag laufen) vom April verlegt. Vielleicht muss er auch diese Läufe noch streichen, doch eigentlich seien sie ja solche, die in die Zeit passen: „Auf einer Insel, die Zuschauer sind über die Schiffstickets kontrollierbar, die Läufer sowieso.“ Und Massenstart ist eh nichts für die Schönheit im Chiemsee.