München – Die Männer des FC Bayern haben Olympique Lyon besiegt und stehen im Finale der Champions League. Nun wollen es ihnen die Bayern-Frauen gleichtun, die am Samstagabend in das Champions-League-Turnier in Bilbao einsteigen und ebenfalls auf OL treffen. Das Viertelfinale wird um 20 Uhr im Stadion San Mamés angepfiffen. Ein besonderes Spiel ist es für Carolin Simon, die 27-jährige Linksverteidigerin der Bayern wechselte im vergangenen Sommer aus Lyon nach München. Im Interview spricht die Nationalspielerin, die mit Olympique die Champions League gewinnen konnte, über die Chancen der Bayern und den Stand der Vorbereitung.
Carolin Simon, die Sommerpause war kurz. Konnten Sie sich ein wenig erholen?
Ja, auf jeden Fall. Wegen der Corona-Situation ist es natürlich nicht so, wie es in den vergangenen Jahren war. Aber das merkt man ja in sämtlichen Bereichen des Lebens. Von daher ist das in Ordnung. Wir werden es auch so hinkriegen.
Die letzte Saison war eine Punktlandung, die Vizemeisterschaft und die Champions-League-Qualifikation wurden am letzten Spieltag gesichert. Wie viel Nerven hat das gekostet?
Schon sehr viele. Wir hatten einen Zweikampf mit Hoffenheim, die waren uns ständig dicht auf den Fersen und haben ein Spiel nach dem anderen gewonnen. Das war nicht leicht in dieser Phase. Aber wir haben uns auf uns selbst konzentriert, wir wussten, dass wir es selbst in der Hand hatten. Das hat uns die Kraft für die Spiele gegeben.
Wie würden Sie die vergangene Saison insgesamt bewerten?
Es war eine schwierige Saison, die den Umständen entsprechend aber noch sehr gut ausgegangen ist für uns. Wir haben viel gelernt, gerade aus der ersten Phase der Saison, die wirklich problematisch war. Aber schlussendlich – auch wenn es für den Titel noch nicht gereicht hat – haben wir doch unsere Teilziele, zum Beispiel mit der Qualifikation für die Champions League, erreicht. Von daher können wir auf jeden Fall viel Positives mitnehmen für die kommende Saison.
Sie sagen: „Es hat noch nicht für den Titel gereicht.“ Ist die Meisterschaft jetzt das klare Ziel?
Auf jeden Fall! Es ist keine Frage, dass das schwierig wird. Aber egal, in welchem Wettbewerb man antritt: Man möchte gewinnen. Von daher stecken wir uns die Ziele hoch. Für uns steht fest, dass wir Titel sammeln wollen. Auch auf lange Sicht gesehen.
Wie läuft die Vorbereitung mit den Bayern-Frauen aktuell?
Sehr gut. Wir finden uns als Mannschaft. Es ist sehr harmonisch, obwohl wir noch nicht so lange zusammen sind. Wir arbeiten intensiv und viel. Wir haben nicht so viel Zeit gehabt im Sommer und müssen uns Dinge erarbeiten, die die Basis für die ganze Saison bilden sollen. Ich persönlich finde, dass wir Riesenschritte machen und ich freue mich, wenn es jetzt endlich losgeht.
Der Umbruch ist auch in diesem Jahr wieder relativ groß, mit vielen neuen Spielerinnen und Abgängen. Befürchten Sie, dass der Start wieder schwierig werden könnte?
Letztes Jahr kam noch dazu, dass das Trainerteam gewechselt hat. Das ist noch mal etwas anderes, wenn das Trainerteam und ein großer Teil der Mannschaft wechseln. Klar haben wir auch jetzt viele neue Spielerinnen und einige Abgänge, aber es hat sich recht schnell gefunden. Wir wissen, dass noch viel zu tun ist, aber ich bin wirklich positiver Dinge. Wir merken, dass sich das von Trainingswoche zu Trainingswoche mehr festigt.
Der Konkurrenzkampf dürfte enorm sein…
Auf jeden Fall. Wenn wir im Training mal elf gegen elf spielen, das ist schon der Wahnsinn. Das ist richtig cool, wenn man sieht, wie viele Topleute um einen herumstehen. Theoretisch könnten wir mit zwei kompletten Mannschaften ganz oben mitspielen. Uns als Mannschaft und jeder einzelnen Spielerin tut dieser Konkurrenzkampf extrem gut.
Sie sind vor einem Jahr von Olympique Lyon zum FC Bayern München gewechselt. Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem alten Verein?
Nicht viel, um ehrlich zu sein. Man hat schon ab und zu sporadisch miteinander zu tun, aber ich habe da einen klaren Cut gemacht. Es war eine schwierige Zeit im letzten Sommer, aber es ist letztlich gut für mich gelaufen, und ich bin glücklich, dass ich jetzt hier bin. Ich hege überhaupt keinen Groll gegen Lyon, es ist ein Kapitel meiner Laufbahn, und ich mag den Verein und die Leute dort auch immer noch. Aber es gibt keine besondere emotionale Verbindung mehr.
Ein besonderes Spiel wird die Partie gegen Lyon am Samstag vermutlich trotzdem, weil das erste Pflichtspiel nach der Sommerpause gleich ein absolutes Highlight ist. Wie geht man das an?
Wir sind total fokussiert. Jetzt, wo das Spiel näherkommt, steigt so langsam die Nervosität. Wir freuen uns drauf, uns mit so einer Top-Mannschaft messen zu können. Wir haben nichts zu verlieren. Natürlich wollen wir weiterkommen und wir glauben daran, dass wir das schaffen können, wenn wir 100 Prozent oder vielleicht sogar noch ein bisschen mehr geben können. Gegen eine Mannschaft wie Lyon, die zu den besten der Welt gehört, braucht man dann noch das Quäntchen Glück.
Lyon hat wegen des Saisonabbruchs seit Februar nur zwei Pflichtspiele im Pokal absolviert. Ist es ein Vorteil für den FC Bayern, in den letzten Monaten viel regelmäßiger gespielt zu haben?
Das kann ein Vorteil sein, aber auch ein Nachteil. Man kann es so oder so drehen. Lyon hatte sehr viel frei, wir hatten hohe Belastungen und nur eine kurze Pause. Andererseits hatten wir einen Spielrhythmus, den wir nicht verloren haben. Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Jede Mannschaft geht jetzt mit ihrer Vorgeschichte in das Spiel, dann werden wir sehen, wer die Nase vorn hat.
Worauf gilt es bei Lyon zu achten?
Auf die extreme Qualität. Der komplette Kader besteht aus Weltklassespielerinnen. Egal wer spielt, wer aus- oder eingewechselt wird, es kommt immer wieder eine Weltklassespielerin rein. Jede unserer Spielerinnen muss an diesem Tag bei 100 Prozent sein, sonst wird es ganz schwer gegen so eine Mannschaft.
Ist es ein Vorteil, dass es statt Hin- und Rückspiel nur ein Spiel gibt?
Vielleicht ist es eher ein Vorteil. Ich mag grundsätzlich, wenn es um alles oder nichts geht. Ich finde es gut, dass wir ein Spiel haben, in das wir alles reinwerfen können.
Interview: Christian Stüwe