Damals, in der tiefen Londoner Nacht – um genau zu sein war es 1.04 Uhr –, machte Jupp Heynckes, was von ihm verlangt wurde. „Josef, wir müssen die Sau raus lassen“, hatte Hermann Gerland ihm nach dem Finale von Wembley zugerufen, und der frisch gebackene Triple-Trainer befolgte den Feier-Befehl. Eine Riesen-Party wurde es, mittendrin „Jupp Jupp Jupp“, stets im Takt. Einen ähnlichen Auftritt hätte sich auch Hansi Flick heuer verdient gehabt – nur muss die Corona-Party leider kleiner ausfallen. Ein Jammer, bei diesem Anlass! Flick darf seine Hüften nicht im Beisein von 1000 Gästen kreisen.
Ihm selbst macht das nicht viel aus, denn der Triple-Held nimmt diese perfekte Saison, den Triumph in seinem ersten Champions-League-Jahr, wie erwartet: freudig, aber bescheiden. Vielleicht hilft es, wenn alle anderen diesem Mann, den man nur als Glücksgriff für den FC Bayern bezeichnen kann, zurufen: besser geht’s nicht! Wer in neun Monaten als Chef aus einer Ansammlung an Stars ein perfektes Team formt, das ihm bedingungslos folgt, gehört zu den Besten seiner Zunft. Flick ist – Stand gestern Abend um 22:53 Uhr – eine Legende. Beim FC Bayern, im deutschen Fußball, in Europa.
Das, was er erreicht hat, bleibt. Und es ist gleichzeitig ein Versprechen an wie ein Fundament für die Zukunft des besten Clubs Europas. Diese Mannschaft hat im Jahr 2020 bewiesen, dass sie – wenn sie sich ausschließlich auf ihre eigene Stärke besinnt – in jedem Wettbewerb Favorit ist. National kann sich der chronisch labile BVB die Zähne ausbeißen, in einem einzelnen K.-o.-Spiel wie im DFB-Pokal haben die Bayern stets die besten Nerven, und in der Königsklasse waren sie unter Flick das Maß aller Dinge. Die Antwort, ob der so lange so kritisch begleitete Umbruch gelungen ist, hat das Team auf dem Rasen gegeben. Gratulieren darf man dazu der „alten“ Führungsriege. Die „neue“ ist von nun an gefordert.
Die Kunst des Erfolges ist es, Triumphe auszukosten – sie aber richtig einzuordnen. Ein Rausch ist erlaubt, ein langer Kater nicht. Sowohl die Corona-Krise als auch die noch ungeklärte Zukunft zahlreicher Triple-Protagonisten erfordern Kreativität. Für Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic allerdings wird für die kommenden Jahre von Vorteil sein, auf einer früh veredelten Achse aufbauen zu können. Und auf einen Trainer, der bleibt. Das war bei Heynckes anders. Sein Triple-Tanz war der finale.
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