LIssabon/München – Beim ersten Triple 2013 war Uli Hoeneß als Präsident des FC Bayern noch fester Bestandteil der ausgelassenen Feierlichkeiten auf dem Platz. Damals bekam er von den Spielern den Henkelpott in die Hand gedrückt und reckte ihn in den Londoner Nachthimmel. Beim diesjährigen Champions-League-Sieg hielt sich Hoeneß ehrenpräsidial bei der Siegesfeier im Estadio da Luz zurück und genoss den Triumph eher still. Die Freude über das Triple 2020 ist trotzdem groß, wie Hoeneß im Interview verrät.
Herr Hoeneß, der FC Bayern hat zum zweiten Mal in seiner Geschichte das Triple gewonnen. Was löst das in Ihnen aus?
Ich bin natürlich sehr glücklich. Weil: Dieses unglaubliche Jahr ist gekrönt worden von einer fantastischen Leistung. Wir haben nicht nur den Champions-League-Titel geholt, sondern ihn sehr verdient gewonnen. Das ist ganz wichtig. Man kriegt ja immer so einen Makel, wenn man glücklich nach einem Elfmeter- oder Abseitstor oder nach einer Schiedsrichter-Entscheidung gewinnt. Und das war am Sonntag überhaupt nicht der Fall. Entsprechend war die Stimmung später am Abend. Es war unglaublich. Deswegen war es ein schöner Abschluss der Saison.
Was haben Sie David Alaba nach Abpfiff ins Ohr geflüstert? Dass mit Barcelona und Real in den nächsten Jahren auf europäischer Ebene nicht viel zu holen sein wird?
Der David kennt meine Meinung zu dem Thema, das musste ich da nicht noch mal wiederholen. Ich habe ihm gesagt: Du wolltest immer einen Verein haben, um die Champions League zu gewinnen – jetzt hast du ihn. Also überleg dir das gut.
Was sagt Ihr Bauchgefühl?
Ich glaube, er bleibt. Ich glaube und hoffe, dass er bleibt.
Jeder hebt stets den guten Teamgeist hervor. Haben Sie beim FC Bayern je zuvor einen so eingeschworenen Haufen erlebt?
Grundsätzlich muss man so etwas haben, wenn man die Champions League gewinnen will. Das war in all den Jahren, in denen wir das geschafft haben, ähnlich. Aber so intensiv, wie ich es bei dieser Mannschaft erlebt habe, habe ich es selten erlebt.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Arbeit von Cheftrainer Hansi Flick?
Die ist einmalig! Wenn man überlegt, dass er als Assistenztrainer angefangen hat, jetzt die Champions League gewonnen, kein Spiel in diesem Wettbewerb verloren hat, in der Meisterschaft vorne steht und den Pokalsieg holt . . . Da gibt es einen Film von Jack Nicholson: „Besser geht’s nicht“. Das gilt für Hansi Flick.
Was zeichnet ihn als Trainer aus – außer seinen menschlichen Qualitäten?
Man kann ja nicht nur ein netter Kerl, sondern auch fachlich hervorragend ausgebildet sein. Er war ja bei der Nationalmannschaft schon mehr als der Assistent von Jogi Löw. Er hat da ja auch schon viel aktiv mitgestaltet. Ich bin überzeugt, dass er diese Erfahrung hier einbringen konnte. Er hat nicht nur menschlich, familiär überzeugt, sondern auch fachlich. Er hat der Mannschaft einen Spielstil beigebracht: Jeder für jeden! Die Spieler arbeiten alle füreinander. Es gibt keine Egoismen mehr. Jeder hilft dem anderen. Das war und ist einmalig.
War der Gewinn der Champions League der Anfang einer neuen Bayern-Ära in Europa?
Das kann ich jetzt nicht sagen. Wir haben in Lissabon viele Gespräche mit großen Managern geführt, und da kriegt man einen Einblick in den großen Fußball. Und da stellen wir als FC Bayern fest: Wir sind für die schwierige Zeit, die es ja im Moment gibt, hervorragend aufgestellt. Wir haben nicht nur eine funktionierende Mannschaft, wir haben eine funktionierende Führung. Wir haben zwar auch nicht mehr die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die wir noch vor ein, zwei Jahren hatten, aber wir haben wirtschaftlich keine Sorgen. Und wir haben eine Mannschaft mit großem Potenzial. Während viele große Vereine eine Mannschaft haben, die am Ende eines Zyklus steht, haben wir ja eigentlich diesen Übergang nach Franck Ribéry und Arjen Robben fast abgeschlossen. Deswegen würde ich sagen, man kann sich wenigstens 14 Tage zurücklehnen, bis es wieder losgeht.
Die Bundesliga-Konkurrenz bereitet sich teilweise schon seit 14 Tagen auf die neue Saison vor. Ist das ein Nachteil?
Ob das ein Nachteil für unsere Mannschaft ist, weiß ich nicht. Aber die Jungs brauchen jetzt Urlaub. Wenn man morgen zu trainieren anfangen würde, wäre das der allergrößte Fehler. Da wäre die nächste Verletzung 100-prozentig sicher. Insofern gibt es keine Alternative zu Urlaub.
Interview: Manuel Bonke