DFB noch ohne Zuschauer

Länderspiele sind Tim-Bendzko-Konzerte

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Das Länderspiel nächste Woche in Stuttgart, das erste seit zehn Monaten, wird also definitiv ohne Zuschauer im Stadion stattfinden. In jeder schlechten Nachricht (die das natürlich ist) liegt auch eine gute. Nämlich: Der Fanclub Nationalmannschaft muss sich keine Choreografie ausdenken (die man ihm eh nicht glaubt, weil sie immer von einer Agentur kommt) und auch keine Musikband engagieren, die so tut, als finde sie sich zufällig im Block zusammen und jamme ganz spontan.

Dabei wäre ein (Freundschafts-)Länderspiel eigentlich eine ideale Gelegenheit, um die Corona-Forschung voranzutreiben. Denn ein Länderspiel, bei dem es um nichts geht, Stehplätze eh schon längst abgeschafft sind, zu dem vorzugsweise Familienpublikum anreist und die einzige Emotion der Zuschauer sich gegen die zu hohen Ticketpreise wendet, ist so etwas wie ein Tim-Bendzko-Konzert in Leipzig als Sportveranstaltung. Jeder nimmt brav den ihm zugewiesenen Platz ein, es wird keine Zusammenrottungen ohne Abstand geben – was soll da groß passieren? Man könnte die Wege tracken, die zurückgelegt werden müssen und verfolgen, welche Reisen die Aerosol-Wölkchen unternehmen. Das könnte den Fußball womöglich entlasten vom Verdacht des Superspreadings – zumindest bei einer überschaubaren Teilbelegung eines Stadions.

Eher belastend war, was sich am Wochenende beim „Finaltag der Amateure“ bot. Zwar ist DFB-Präsident Fritz Keller der Meinung, die geballten Endspiele um die Pokale der Landesverbände und die Qualifikation für die erste Hauptrunde seien „reibungslos verlaufen“ – doch diesen Eindruck teilen wohl nicht viele Menschen, die die stundenlange TV-Übertragung von verschiedenen Plätzen aus verschiedenen Bundesländern gesehen haben. Es gab ja Spiele mit Zuschauern – und mancherorts war nicht zu registrieren, dass die Maskenpflicht umgesetzt und der Abstand eingehalten worden wäre. Für die kleineren Clubs und ihr Umfeld ging es um viel – da vergisst man schnell mal, dass noch Pandemie ist und sie sich nicht in ihrer ungefährlichsten Phase befindet.

Das große Experiment soll demnächst in Budapest beim Supercup stattfinden. 30 Prozent Auslastung – und für viele Bayern-Fans die Gelegenheit, ihrem Team beizustehen. Bei dem Gedanken darf einem unwohl werden.

Guenter.Klein@ovb.net

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