München – Ralph Denk hätte sich andere Nachrichten gewünscht in der Woche vor dem Start der Tour de France. Doch aus Westfrankreich kam gestern frühmorgens die Hiobsbotschaft, dass ein Fahrer des Bora-hansgrohe-Teams positiv auf Covid-19 getestet worden war. Da war der Schrecken zunächst groß. „Unser erster Corona-Fall“, sagte der Teammanager. Der 46-Jährige zog seine Mannschaft, die beim Rennen Bretagne Classic starten sollte, zurück. Alle Teammitglieder begaben sich in Selbstisolation. Die Verwirrung aber war dann am späten Nachmittag perfekt, als das Ergebnis der in Eigenregie veranlassten Gegenanalyse bekannt wurde. Die zweite Probe ergab: Der vermeintlich infizierte Bora-Profi ist negativ – und auch seine Teamkollegen.
Natürlich war die erste Erleichterung bei Denk groß. Auch wenn ohnehin keiner seiner für die Tour de France nominierten Fahrer betroffen gewesen wäre. Ein bitterer Nachgeschmack blieb dennoch. „Ich habe Bauchschmerzen im Hinblick auf die Tour“, sagte Denk. Denn dort ist nur ein Test möglich. Wenn ein Fahrer also als Corona-Fall eingestuft wird, muss er sofort in Quarantäne. Beim zweiten positiv getesteten Sportler muss sich das ganze Team von der Frankreich-Rundfahrt verabschieden. Ein Unding, findet Denk: „Das ist ein Blindflug.“ Schließlich wisse man nicht erst seit der aktuellen Panne, dass die Corona-Tests nicht 100-prozentig funktionieren und es immer wieder zu „falsch-positiven“ Ergebnissen komme. „Das hat auch schon Gesundheitsminister Jens Spahn zugegeben“, so Denk. Seine Forderung somit: „Es muss bei der Tour eine Gegenanalyse möglich sein.“
Dabei hat der Rennstall aus Oberbayern ohnehin genug Sorgen. Mit Emanuel Buchmann war vor eineinhalb Wochen bei der Dauphiné Liberé der Kapitän des Tour-Teams schwer gestürzt. Das massive Hämatom im Beckenbereich ließ zunächst kein Training zu. Sogar Max Schachmann, der bei der Lombardei-Rundfahrt einen Schlüsselbeinbruch erlitt, konnte zuletzt besser trainieren. „Das Ganze hat mich ziemlich zurückgeworfen, es ist bitter, weil ich richtig gut in Form war. Bei der Dauphiné war ich hinter Primoz Roglic der Stärkste am Berg. Jetzt gibt es ein paar Fragezeichen“, sagte Buchmann.
Schon auf der zweiten Etappe der am Samstag beginnenden Fahrt durch Frankreich führt der Kurs von Nizza aus in die Berge und dort bis in eine Höhe von 1600 Metern. „Es geht gleich richtig los, es gibt keine Zeit zum Einrollen“, so Buchmann. Es droht ein früher Rückschlag im Kampf um das große Ziel Tour-Podest. „Inwieweit ich da mithalten kann, wird man sehen.“ Immerhin kann Buchmann bei der Tour starten: „Eigentlich dachte ich, die Tour ist gelaufen, als ich nach dem Sturz nicht mehr selbstständig aufstehen konnte. Zum Glück war nichts gebrochen.“ Gut möglich also, dass es für die angeschlagenen Buchmann und Schachmann zu einer Tour der Leiden wird. Denk dazu: „Die beiden wollen unbedingt fahren.“
Buchmann: „Ich dachte, die Tour ist gelaufen.“